Bitte warten...

[OBF-421228-002-02]
Briefkorpus

67. Montagnachmittag, am 28. 12. 1942.

Geliebtes Mannerli! Mein [Roland]! Liebstes Herzelein! Du! Zuerst muß ich doch nun zu Dir kommen, ehe ich eine andere Beschäftigung anfange! Du! Liebstes Herzelein! Ich hab doch kaum Zeit, all meine Briefschulden zu tilgen. Mal sehen, ob mir der Abend die Zeit gibt.

Ich sitze doch nochmal im Stübel, hab mir ein kleines Feuerle angemacht, da bin ich so schön alleine, Du! Die Mutsch schneidet drüben in der Küche Rotkraut ein, sie muß es einwecken, weils zu faulen beginnt. Papa schläft.

Draußen ist es kalt, huh! Aber die liebe Sonne scheint. Ich war am Morgen wegelaufen [sic], wenn ich Deinen feinen Muff nicht hätte, Mannerli! Und die Stiefelein! Hättest schon längst ein halberfrorenes Weiberl! Ich mußte für Frau U.s Vater, der gestorben ist, und morgen eingeäschert wird, ein Bukett holen. Wir müssen da schon zeichnen, sie haben auch zu jeden Anlaß gegeben.

Weißen Flieder habe ich, ein schönes Bukett.

Es ist ganz plötzlich gegangen mit ihm, er war schon sehr alt.

Nun habe ich erst mal meine Scharberichte geschrieben, ich bekam ja einen Schreck, als ich heute auf dem Kalender den 28. las!

Die muß ich nachher gleich noch fortbringen zur Frau Lehrer U..

Ach Herzelein! Es ist einem heute noch garnicht wie Alltag, nach einer Reihe Feiertagen. Was magst Du denn treiben heute? Wie mags Dir gehen? Ob Du wohlauf bist und auch noch froh und munter? Ach Mannerli, liebstes!

Ob denn Dein Mitarbeiter wieder da ist?

Es kam heute keine Post von Dir, auch woanders her nicht. Ich warte auf Nachricht von Kamenz. Wie mag es unsrer Elfriede gehen? Immer noch im Krankenhaus? Da mache ich mir nun beinahe ernstliche Sorgen. Da kann doch etwas nicht stimmen, solang bringt ja normalerweise eine Wöchnerin nicht zu. Unsre Elfriede verträgt sehr wenig. Ich glaube, sie ist garnicht geschaffen zum Mutter sein. Hoffentlich nimmt’s ein gutes Ende. Die Mutter schreibt auch garnicht, was eigentlich los ist mit ihr! Und Hellmuth soll auf der Fahrt sein. Der Ärmste, wie mag er enttäuscht sein, eine kranke Frau zu finden. Wenn sie nur dann wenigstens heimkann! Da wird sich wohl Deine Mutter noch ein Weilchen Elfriedes annehmen müssen, wenn sie dann zuhaus ist.

Siegfried schrieb mir einen lieben Weihnachtsbrief, er war recht von Wehmut erfüllt. Das 4. Weihnachten fern der Heimat und er muß scheinbar wieder auf Fahrt sein; denn er schreibt: "Wo ich diesmal das Fest begehe? Unter Palmen sicher nicht. Einmal werde ich Euch ganz nahe sein…".

Wer weiß, wo der Arme nun wieder hin muß. Vielleicht gar zurück nach Osten? Mutter schrieb von Urlaub, wie sie wohl darauf gekommen ist? Mir tut unser Kleiner so leid.

So war heuer keines von uns zuhaus bei den lieben [Nordhoff]-Eltern. Nur in Gedanken waren wir alle vereint.

Gebe Gott, daß dieser böse Krieg bald ein gutes Ende nimmt. Mein Herzelein, Du! Ich erwarte nun Deinen Bericht, wie Du die Festtage verlebt hast. Bin doch auch gespannt, wie Dein Chorwerk geklappt hat! Und ob es Freude angerichtet hat! Es freut mich doch, daß Du die Singstunden beibehalten willst auch nach dem Feste! Ich wünsche Dir guten Erfolg! In Deinem lieben Sonnabendboten schreibst mir von einem Buchgeschenk für die [Hilde] [Nordhoff], worin der Weihnachtsmann geblättert hat zum Zeitvertreib! Du! Nun machst Du mich aber ungeduldig! Mußt bald heimkommen damit! Ach, wie gerne ließe ich mir wieder einmal in der Abendstunde vorlesen von Dir! Herzelein! Vergiß nur das schöne Novellenbuch nicht! Und auch von einer Bluse redest Du! Von einer Bluse! Du liebes, gutes Herzelein! Beschenkst mich ja so lieb immer! Ich bin ganz neugierig schon, das Päckchen ist aber immer noch nicht da. Es wird schon noch kommen. Und es ist ja heute erst Montag, die Woche hat erst begonnen! Zum alten Jahre trifft’s schon noch ein, Du!!

Du Mannerli, da muß ich Dich gleich nochmal mahnen in alten Jahre, ermahnen zur Vorsicht! Ich habe am 1. Feiertag einen Brief von Dir empfangen, der war garnicht zugeklebt! Offen, ganz die Klappe offen hinten, so kam er an. Zuerst dachte ich, daß er sich wieder abgelöst hätte, der Klebstoff. Ich konnte aber ganz deutlich feststellen, daß er garnicht befeuchtet war. Mein Mannerli hat es völlig vergessen! Gewiß im Drasch! Du!

"Herr Professor"! Ätsch!! Aber ich war froh, daß mir nichts fehlte aus dem Boten. Es ist mal gut gegangen. Ob ihn jemand gelesen hat, weiß ich jedoch nicht. Mannerli! Sei ganz vorsichtig in Zukunft, gelt?

Es war das erste Mal überhaupt, seit wir uns schreiben. Darum verzeih ich Dir die Unterlassungssünde!!! Du kleiner Faselhans! Du wirst mirs wohl garnicht glauben wollen? Doch! Es ist schon so. mirs wohl garnicht glauben wollen? Doch! Es ist schon so. Du! Wenn mir jemand all die lieben Bogen gestohlen hätte von Deiner Hand – ganz traurig und untröstlich wäre ich doch gewesen. Herzelein! Ich gönne keinem Menschen etwas von Deinem Liebsein! Ich kann doch auch ganz sehr eifersüchtig sein. Ja!! Und wenn ich es nicht könnte, dann hätte ich Dich nicht so ganz sehr lieb! Und ich hab Dich doch so ganz sehr lieb! Soo lieb! Ach Herzelein! Sag? Weißt Du es denn noch? Weißt Du es noch? Oh Geliebter! Manchmal steht sie ja so mächtig auf, meine große Liebe zu Dir! So mit aller Gewalt klopft sie an des Herzens Tür und möchte sich verströmen, möchte zu Dir hin all, Geliebter! Oh mein Geliebter! Du!!!

Ach Schätzelein! Ich lese es doch mit so viel Frohsein, daß Du an meinem Geburtstagsgeschenk ganz große Freude erlebt hast! Du! Ein paar kurze Worte schreibst Du mir erst davon, Du hast wenig Zeit. Und ich warte noch auf einen näheren Bericht. Ach Geliebter!

Das wollte ich ja! Dich beglücken so ganz! Mich selbst Dir bringen! Mich selbst Dir bringen! Daß Du es nie, nimmermehr vergessen kannst, wie ich Dich liebe! Und wie ich so ganz die Deine bin!

Ganz dicht dränge ich mich hin zu Dir! An Dein Herz! Du sollst mich garnimmer übersehen können Dein ganzes Lebenlang! Ganz leibhaftig gegenwärtig will ich Dir sein immer! Immer vor Augen und immer in Deinem Herzen! Geliebter!!!

Oh halte mich fest! Ich lasse Dich nicht! Du!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen!

Gott behüte Dich mir! Mein Ein und Alles, Du!

Ich bleibe in Liebe und Treue bis in den Tod Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946