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[OBF-430102-002-01]
Briefkorpus

72

Sonnabend, am 2. Januar 1943.

Herzallerliebster Du! Mein geliebtes, teures Herz! Mein [Roland]!

Du! Es ist Nachmittag, eben haben wir Kaffeestunde gehalten Mutter und ich, Vater ist bei Oma, er schafft den Kuchen hin, den wir gestern von Glauchau für sie mitbekamen. Er ist mit dem Bus gefahren, wird auch damit zurückkommen. Du glaubst garnicht, welch häßliches Wetter bei uns ist heute. Es schneit und stürmt, was es nur kann, alles patschnass. Pfui Teufel! Ich war über Mittag einige Besorgungen machen, ich kam klitschnaß heim. Ach, da ist es am schönsten zuhaus [sic]. Ich habe im Stübel Feuer gemacht, nun sitze ich hier vorm Bogen, den lieben Tannenbaum vor mir, das Schätzelein in der Nähe! Und so gefällt’s mir nun! Ach Du! Allein mit Dir! Das ist das Allerschönste auf der Welt. Herzelein! Allein mit Dir!

Ursprünglich waren wir für heute in Glauchau erwartet. Aber Mutsch meinte, weil ich schon sowieso wenig Lust zeigte mitzufahren, daß es am Neujahrstag besser sei, denn so hätten wir noch gerade soviel wie 2 Feiertage, schön zusammenhängend. Das ist schon war [sic].

Aber viel lieber hätte ich 3 Feiertage gehabt, daß ich mal so ganz lange jeden Tag zu Dir kommen konnte. Ich habe so, sooviel liebe Boten zu beantworten, Du wirst denken ich lese garnicht alles, was Du mir erzählst und sagen willst! Ach Du!! Ich lese alles! Und ich muß Dir doch immer nur wieder zuerst die Hauptsache beantworten und Dir sagen! Ich liebe Dich so sehr ! Ach Du! Das scheint mir doch das Allerwichtigste! Du!!! Du!!!!!

Mein Liebster! Du bist täglich sooo lieb zu mir gekommen, daß ich jetzt garnicht weiß, wo zuerst beginnen. Du!!!

Herzelein, da ist nun schon wieder Neujahr, sag? Habe ich mich denn schon für Deine beiden lieben Weihnachtspäckchen schon recht bedankt? Ich habe doch in meiner Freude nur die schöne Bluse gesehen! Ach, die ist wunderschön!

Du hast ja auch wieder einen so fetten Brocken geschickt! Du Guter! Wie Du das nur kaufen kannst, frag ich mich immer wieder? Du mußt Dir ja nicht das Geringste leisten, wenn Du uns immer so kostbare Geschenke machst. Herzelein! Du weißt, wie sehr wir uns freuen und wie gut das haushalten [sic] hilft! Aber ich bitte Dich hier nochmal recht lieb! Denke auch an Dich, Du!!!

Gönne Dir auch etwas! Es kann eine Zeit kommen noch, wo Du Dir garnichts leisten kannst, außer Deiner Wehrmachtverpflegung. Ich hoffe es nicht, daß Du wegkommst in eine so traurige Gegend. Aber es ist alles möglich. Du! Mir wird nämlich langsam Angst und Bange, denn ich fange an, dicker zu werden überall! Ja Du! Und wenn dann das überschlanke Mannerli heimkommt, sagen womöglich alle, die uns kennen: „schaut sie an, die verfressene [Hilde], die hat ihrem [Roland] nichts übriggelassen, er ist dünn und sie so dick!” Ach Du! Das möchte ich doch garnicht gern. Ich weiß aber auch garnicht wie es kommt, daß ich in letzter Zeit rundlicher werde. Ich esse gern, das gebe ich zu! Vielleicht kommt es davon, weil ich eben so ganz gewiß mich als Dein liebes Weiberl fühle, innen wie außen. Du! So wie innen im Herzen alles strahlt, so strahlt’s vielleicht nun auch schon nach außen hin, gelt? Ach Du! Bestimmt trägt die selbe Verfassung auch zum Äußeren bei, denn wer immer seelische Aufregungen durchmacht, Disharmonien erlebt, der zehrt wohl daran auch körperlich. Ach Du! Zwischen uns webt eitel Glück und Sonne, Es ist doch ein Strahlen und Leuchten, ein glücklich Fluten von Herz zu Herzen – wenn auch die Sehnsucht groß in uns lebt, das Gefühl innigster Liebe und engsten Zusammengehörigkeitsgefühls kann sie nicht übertönen. Unsre Liebe lebt. Sie lebt in uns, wie der Herzschlag! Und immer sind wir vom Glück erfüllt, alle Tage. Wenn auch einmal Wolken kommen, sie vertreiben doch die Sonne nicht – immer scheint sie und ewig. Und diese selig frohe Gewißheit engsten Verbundenseins, die breitet sich über unsre Seele, über unser Antlitz, über den ganzen Menschen in seiner inneren und äußeren Beschaffenheit. Und immer enger und inniger vermählen sich unsere Wesen, immer fester schließt sich das Band der Liebe um uns, immer gewisser und zuversichtlicher gehen wir schon jetzt miteinander voran! Ach Du! Das alles prägt wohl den Menschen, zeichnet ihn. Und es ist so, wie es im Volke heißt: das menschliche Antlitz ist ein Spiegel seiner Seele.

Herzelein! Ich freue mich doch, daß ich diese Feststellung machen kann. Ich will doch gezeichnet sein von unsrer Liebe! Von Deiner Liebe! Du!!! Es soll doch jeder sehen: sie ist vergeben, und ist glücklich, wohl ganz sehr glücklich, diese Frau. Du! Geliebter! Ich strecke mich in meiner Liebe und Sehnsucht nach Dir, nur nach Dir, darum werde ich Dir wohl so vertraut und ähnlich immer mehr. Ach Geliebter! Ich bin ja so ganz Dein Eigentum! Dein! Dein!!! Und will doch auch Dein liebes Weib sein und Dein liebstes Mütterlein. Du!

Mein [Roland]! Von unsrer Reise ist nicht viel zu berichten. Wie kamen glatt an, die Züge sind sehr gut geheizt überall. Die Verbindungen waren auch günstig. H.s fuhren auch mit, der Sohn ist da, nach Grüna zu Verwandten. Sie lassen Dich schön grüßen.

Über unser Kommen herrschte eitel Freude. Die Tante sehnt sich nach einer Unterhaltung mal mit Erwachsenen. Die Kinder waren alle krank gewesen, Mandelentzündung und die kleinste Mittelohrvereiterung. Es ging allen wieder gut.

Am liebsten hätten sie uns übernacht behalten. O nein!

Ihr Vater will morgen auf Urlaub kommen. Wir sind um 1844 [Uhr] wieder weg und waren nach ½ 9 Uhr in Limbach. Von da aus liefen wir gleich heim, denn der Anschluß hätte reichlich ½ Stunde auf sich warten lassen. So waren wir eher zuhaus [sic], als der Zug. Nur gut, daß gestern so annehmbares Wetter war!

Na, nun hat's wieder lange Ruhe mit einem Besuch in Glauchau. An Dich bestellte die Tante herzlichste Grüße!

Was so daußen umherreist, ist unglaublich. Man denkt immer, man ist der einzige Dumme, der reist!

Ach weißt Du, mit Dir zusammen reiste ich wohl auch sehr gerne! Aber so einspännig, ach – da macht es keinen Spaß, Mannerli. Ich tu's nur Mutter zuliebe, damit sie auch ihre Freude hat.

Ich hatte Dir wohl auch noch garnicht erzählt, daß am Mittwoch, dem Tag vor Silvester die Mittelfrohnaer Oma zu uns zu Besuch kam? Gegend Abend erst und wollte nach einer Stunde wieder fort. Weil aber Tante Friedels Fritz in Sonderurlaub zuhaus [sic] war, hat sie unseren Vorschlag angenommen und ist übernachtet; weil Papa Nachtdienst hatte, klappte es ja. Na, da ging dann auch gleich der halbe Vormittag vom Silvester drauf. Aber es war mal schön.

AmDienstagabend zuvor, da waren wir eingeladen bei C.ens, weißt? bei der Radiofamilie! Da war es nett. Wie saßen beim Lichterbaum und sangen Weihnachtslieder und andre zur Laute. Leider spielt niemand auf dem Klavier, was dasteht. Die verstorbene Tochter spielte. Wenn Du wieder mal kämest, so läßt Frau C. mit Grüßen bestellen, so solltest Du nur mal Musik für uns machen. Ich hab für Dich ja gesagt.

Aber im Stillen dachte ich: einmal im Jahr noch Urlaub! Wenn das Wahrheit werden soll, dann gehört jede Stunde allein uns. Herzelein! Dann gehen wir nirgends hin. Du!! Ich will Dich nur für mich!

Du! Wie das ums Haus heult, schauerlich. Es ist ganz aus heute. Der Vater kam eben heim, er prustet und schneuzt, er kann kaum aus den Augen gucken, vor Schneewehen meinte er zu Mutsch. Huh! Wie gut, daß ich im schönen Stübel sitzen kann. Vater muß heute nicht in den Dienst, er fängt erst Montag wieder an. Ach Mannerli! Wenn ich Dich nun im rauhen Osten wüßte! Da könnte ich mich doch nicht so dem wohligen Gefühl des Geborgenseins hingeben, so frohen Gedenkens an Dich.

Du hast auch ein gemütlich warmes Stübel, mein Herzlieb. Unser armer Siegfried! Heute schrieb Vater, daß er nach Rußland zurück ist. Um die Weihnachtszeit ist er auf dem Cottbusser Bahnhof durchgefahren. Ach, er tut mir so leid. Was mag er im Innern empfinden. Er trägt ein hartes Los. Wir wollen ihm nun öfter schreiben, daß er nicht denkt, wir vergessen ihn, weil uns ein besseres Los beschieden ist. Ach möchte Gott ihm die Kraft schenken, durchzuhalten!

Weihnachten und so nah der Heimat und in unbekannte Weite müssen, wie bitterhart mag das sein! Herzlieb, wir wollen unseren kleinen ein wenig mit in unsre Sorge und Liebe einschließen, er ist ja mein Bruder, wie der Deine. Wenn er uns auch nicht oft schreiben kann, antworten, so soll er doch wissen, daß wir immer sein denken.

Und seit dem Sonntag ist auch der liebe Hellmuth zuhaus [sic]! Er ist in Bisch. [sic] auf eine leere Wohnung getroffen.

Die arme Elfriede liegt noch immer im Krankenhaus.

Brustdrüsenentzündung ist hinzugekommen, ist operativ entfernt worden. Ach, sie muß aber auch alles Leiden durchmachen. Es ist so bedauerlich! Sie könnte längst wieder selbständig zuhaus [sic] hantieren, wenn all die bösen Zwischenfälle nicht gekommen wären. Wie freudig wäre dann Hellmuths Heimkehr gewesen! So nun muß er gewärtig sein, daß er die Hälfte seines Urlaubs einsam verbringen muß. Wann Elfriede entlassen wird, das ist noch garnicht bekannt. Die liebe Mutter ist gleich nach Bisch. [sic] gefahren, um Hellmuth zu versorgen und die Wohnung zu der beiden Empfang zu richten.

Ach, wenn nur bald alles gut wird bei Friedel und dem Buben, es hängt uns allen selber mit an. Lotti ist krank in Dehra. Sie kann auch nicht helfen. So bleibt nur noch Deine Mutter. Hellmuth wird aber trotz allem von Herzen froh sein, zuhaus [sic] zu weilen bei Frau und Kind, endlich einmal die quälende Ferne überbrückt! Nun kennt er sein Söhnchen! Und bei der gemeinsamen Freude wird sich schon auch Friedels Befinden bessern, hofft man! Sodaß sie nun endlich alle 3 glückliche Heimkehr halten können.

Die Taufe mögen sie nur verschieben auf den nächsten Urlaub, sie mögen sich nur ja schonen, Mutter und Kind!

Ach Liebster! Das sind Sorgen, wenn solche Komplikationen eintreten, wie viel Glück ist es, wenn alles gut geht bei einer Geburt! Ein Kind haben, es ist direkt ein Spiel mit dein Leben. Bis 19. Januar hat Hellmuth Urlaub. Ob ich nun einmal zu Besuch hinfahre weiß ich auch nicht. Ich denke, daß die beiden viel lieben allein sein möchten, nach der langen Trennung und nach allem, was dazwischen liegt. Mir erginge es wenigstens so. Ich fahre nicht hin. Wenn es Frühling ist und Elfriede ganz wohlauf, dann ist eher ein Besuch angebracht. Ich werde den beiden Lieben einen schönen Brief schreiben und ihnen ganz lieb es erklären, sodaß sie garnicht meine Haltung mißdeuten können.

So gern ich das Kindlein mal sähe und Hellmuth und Elfriede wiedersehen würde. Vernünftiger ist aber mein Entschluß, so glaube ich. Was meinst Du, Liebster?

Außer denn sie laden mich ausdrücklich ein, nun so werde ich zuhaus [sic] in Elternhause in Kamenz Quartier machen und auf einen Tag zu Besuch weilen bei ihnen. Das wird sich alles finden.

Ich bin nur neugierig, ob Hellmuth dann auch wieder hinaus muß an die Front.

Ach, wenn's erst ein Ende nähme!

Mein [Roland]! Nun will ich mich einmal Deinen lieben Boten zuwenden, ich habe einen ganzen Packen vorhin eingeftet. Du Lieber! Du Guter! So getreulich kommst Du zu mir!

Heute früh ist doch schon wieder ein Bote angekommen, Du! Vom Montag, dem 28. Dezember. So gut geht die Post! Aber ich denke, damit wirds nun gleich mal aus sein, wenn es halbwegs noch einen Tag und eine Nacht so weht und schneit, dann wird bald die Bahnstrecke verweht sein!

Wollen hoffen, daß es gnädig vorbeigeht.

Aus Westen kommt das Unwetter, ich mein, daß Du sei[n]  tolles Treiben bis hin zu Dir verspürst. Ich bin auf Deine 'Wettermeldungen' gespannt! Herzelein! Halte Dich nur fein warm, gelt? Und wenn Du einen Schal brauchst, Deine Ohrenschützer, oder irgend etwas, so schreibe mirs gleich, ich will Dir alles gleich schicken! Werde mir nicht krank, Mannerli! Und sieh stets auf trockene und warme Füße! Du! Fein folgen!! Ich bin doch auch ganz tüchtig brav! Ich habe den dicksten Wollrock an, den ich besitze, alles aus Wolle überhaupt! Und ich halte mich gut.

Schätzeli, ich bin doch so pünktlich krank geworden wieder, gegen Morgen des 1. Januar, ganz ohne Schmerzen und Beschwerden. Nur müde war ich sehr in Glauchau. Habe 2 Stunden Mittagsruhe gehalten im Bett mit Klein-Bärbel! Ach Du! Gewiß ist es so, weil Du so lieb her zu mir denkst, mein Mannerli! Du Allerliebster, Allerbester, Guter! Ich bin Dir soo dankbar für Deine Liebe! Und wie gern lasse ich mich einhüllen so lieb und schützend, von Dir! Von Dir!! Du!! Heute morgen habe ich doch das Monatsherzelein gefunden im Brief! Du herziges Mannerli! Was Liebes all Deine Liebe ersinnt! Und ich hab doch auf meine Seite Dir geantwortet und es Dir gleich mitsamt dem Reiterlein in den Boten gesteckt, den ich gestern Abend noch schrieb und heute mit zur Post nahm. Pünktlich soll die Reise losgehen! Und wenn die Herzlein alle beschrieben sind, sich treffen in der Mitte, im tiefsten, letzten Kämmerlein – Du! Ich glaube, daß dann unser Wiedersehen ganz nahe gerückt ist! Geliebter! Dann brauchen wir nicht mehr Papierherzelein sprechen zu lassen – dann ….. oh Du! Ich will es nicht hinschreiben, das Süßeste, Seligste; das glückhafte Einssein. Ach Du! So närrisch verliebt sind wir doch! Du! Glücklich wie zwei Kinder! Und selig, wie zwei ganz jung Verliebte! Erfinderisch im Liebheimlichen, wie es nur Liebende sein können! Und im Erfinden ist mir mein Mannerli noch über! Ja! Über!

Muß wohl auch erfinderischer sein, dem Weibel gegenüber?! Du! Daß es alles findet [am] Weibel! Alles!! Oh Du! Ach, Du willst mich immer wieder beschenken, Geliebter!

Willst mich bestürmen mit Deiner Liebe und beglücken!

Und zu machst mich überglücklich damit! Du! Und ich muß stillhalten, Dein Herzblümelein hält Dir so gern still! Und Du bist doch mein geliebter Sonnenstrahl, der in mir immer wieder das Leben, die Liebe wachküßt! Mein Sonnenstrahl! Oh, wenn Du mich nicht mehr bescheinst, dann muß ich umkommen in Kälte und Finsternis, muß ich sterben, erfrieren. Geliebter Sonnenstrahl Du! Bleibe bei mir allezeit! Bleibe mein Gärtnersmann! Ich muß Dich doch haben, wenn ich blühen soll und leben! Oh Du weißt es, Du! Wie hüllst Du mich ein in Deine Liebe, [Roland]! Geliebter! Alle Liebe strahlst Du mir! Alle Liebe! Oh Du!!! Oh wenn wie erst zusammen leben dürfen, wie glücklich werden wir jedem Morgen entgegenblicken, wie ein Geschenk jeden Tag hinnehmen und Liebe, Liebe wird uns regieren! Du! Mein Ein und Alles! Oh behüt Dich Gott!

Schätzeli! Da seh ich doch eben Deinen Wunsch zu dem Herzeleinbuch! Oh soll es Dir erst senden, wenn ich ganz gesund bin! Nun ist’s schon fort. Ich will es das nächste Mal richtig machen, Du! Gelt? Was sollt' ich Dir sonst anderes zum Zeichen senden? Ach Du! Ein ganz langes inniges Küßchen und vielleicht ein ganz wildes, stürmisches dazu? Daß Du fühlst, wie gesund ich bin?! Du! Ich tät es doch, wenn's möglich wär'! Ich tät es doch sogleich!

Mein Herzelein! Ich blättere in meinem Buche, meinem dicken Briefbuche und suche mir alles Liebe zusammen von Dir! Und suche, worauf Du Antwort willst. Oh Du! Im Grunde ist doch jeder unsrer Boten Antwort, ob meiner oder Deiner! Antwort auf unsere tiefe Liebe, die immer im Herzen wohnt und sich regt und drängt und fragt! Geliebter! Mein [Roland]! Du!!! Da sehe ich den lieben Weihnachtsbrief wieder und den Weihnachtsbrief mit dem Tannenzweiglein und Herzen daran, dem Lichtlein drauf, eine Ranke von Herzelein zäumt den Rand. Ach Du! Wie lieb kommst Du immer zu mir, wie lieb! Ach Herzelein! Daß uns doch nie die Zeit genommen werde, die wir füreinander täglich brauchen, um uns unsre Liebe zu künden! Ich will doch wachsam sein für unsre Freiheit! Und will sie verteidigen, solang ich nur kann.

Von Deinen Feiertagen erzählst Du mir so lieb. Auch bei euch war die Witterung nicht winterlich. Am Ende wird's heuer nur ein harmloser Winter? Ach, wir waren doch in Gedanken so ganz beieinander, wenngleich wir gerätselt haben, wo unsre 'liebe Hälfte' stecken mag! Ach, es waren nun so viele Feiertage, es hätte einem mögen Angst werden, wenn man bedenkt, sie einsam zu verleben. Und mancher wird – auch allein, geflohen sein ins laute Vergnügen, um sein Heimweh, seine Sehnsucht zu betäuben. Wenn ich die Eltern nicht gehabt hätte, ich wäre nicht traurig gewesen, denke ich.

Hätte mich lieb an Dich gehalten, wäre zu Dir geflüchtet im Briefe. Und hätte wieder einmal, wie schon lang nimmer, mich auf das Sofa gesetzt und wäre den Weg unsrer Liebe gegangen, bis zurück an den Anfang. Alle lieben Boten, die liebsten hätte ich gelesen. Das tu ich zu gern einmal. Ich möchte mich gleich einmal paar Tage vergraben, um mit Dir ganz allein zu sein! Ach Du, mein [Roland]! Mein liebster Gesell! Sind wir nun schon so einen Weg, einen weiten, zusammen gegangen. Und sind uns so lieb nahe gekommen dabei, wie es lieber und näher doch kaum noch geht, gelt? Du !!

Und auch in neue Jahr hinein gehen wir wieder innig Hand in Hand, ganz treu aneinandergegeben. Wir werden einander beistehen allezeit! Treu zur Seite sein einander immerdar. Wir werden miteinander gehen und leben, wie all die Zeit unsrer Liebe daher, werden einander nur lieber gewinnen! Die Liebe wird all unser Handeln bestimmen, in den Liebe werden wir Frieden finden auch in den friedlosesten Tagen – Sonne, auch in den trübsten Stunden! In Treue wollen wir zusammenstehn und weiterwandern den Weg, der unser Weg ist in unsre Zukunft!

Geliebter! Von der Treue schreibt Wilhelm Stapel so schön in dem Buch, was ich Dir schenkte, Du gibst mir einen Ausschnitt davon wieder.

Ich habe den Wunsch, diesen Schriftsteller näher kennenzulernen mit Dir. Ich fühl’s er ist Dir ein lieber Freund, er soll es auch mir noch werden.

Leider hat mir noch niemand sagen können ob er noch lebt, ich will mich nun nächstens nochmal im Verein für Bücher und Vortragswesen erkundigen. Ich erstand das Buch in Chemnitz, fand aber nicht die Muße, mich darein zu vertiefen und bei diesem Manne gerade wäre mir es lieb, wenn ich Dich dabei hätte, Du mußt mir manches erklären; es wird mir vieles verständlicher, wenn ich mich mit Dir darüber aussprechen kann.

Daß dieser dann wahr und ehrlich und gerade ist in seinem Denken das erfuhr ich schon einst, als Du mir aus seinem Buche vorgelesen hast im Urlaub. Das würde mich auch sehr interessieren, was Du vermutest, daß er vielleicht ein umfassendes Werk über unseren Christenglauben bringt. Du meinst, daß er daran arbeitet, Du weißt auch aus seinen bisher erschienen [sic] Werken, daß darum sein Ringen geht.

Ich freue mich doch, daß ich das Buch bekam für Dich. Ich hatte noch einiges von ihm bestellt, was er in letzter Zeit herausgegeben hat, es war dreierlei, aber nichts ist herauszukriegen, auch der gute T. versagt!  –

Ach mein lieber [Roland]! Mit Deinen Worten will ich’s Dir sagen! Wenn Gott uns das Leben schenkt, mit seiner Hilfe stehen wir am Ende dieses neuen Jahres nicht anders als am Schlusse des alten: unsre Liebe wird blühen! Oh Du! Wir halten, was wir haben! Wir bleiben treu dem, der uns die Treue hielt! An das Bleibende halten wir uns, wo alles wankt und fällt um uns.

Gott bleibt und unsere Liebe bleibt!

O ja, Herzelein! Nur zu meinem Glücke sagst Du es mir, Du suchtest schon immer nach dem Bleibenden, nach Halt, nach Ordnung, nach Gültigem und nach Gott auch. Und nach einem Gefährten sehntest Du Dich, Sehntest [sic] Dich danach, Treue um Treue zu bewähren. Oh ich weiß es! Jemandem anzuhängen mit dem ganzen Herzen! Ach Du! Darin bin ich doch auch wie mein Mannerli! Ich will doch auch mein Herz so ganz verschenken! Du hast meine ganze Liebe und Treue! So wie ich Deine ganze Liebe und Treue habe. Unsere Sehnsucht ist nun gestillt, erfüllt auch so ganz!

Wir können nun Treue bewähren, wir können lieben, lieben!! Du !!!

Unsere Treue gründet in der Liebe! Und in unsrer Wesensverwandtschaft. Du! Ach – in der Liebe Allgewalt! Herzelein Du! Entbrannt sind unsre Herzen in Liebe zueinander, aus tiefer, wundersamer Liebe entbrannt. Ach Herzelein! Es ist wenig Bleibendes in der Welt und das Bleibende ist wenig geachtet, in unsrer Zeit zumal. Auch Du empfindest es. Aber wir erkennen es, unbeirrbar: Gott ist und bleibt getreu über alles menschliche Maß.

Und Du bist mir treu! Oh ich bin so, sooo glücklich!

Ach Geliebter! So glücklich sind wir – so reich! Vor vielen, vielen anderen Menschen, und das wollen wir nimmer vergessen, Gott zu danken. Oh Geliebter! Du willst mich so liebhaben! Du kannst es so ganz! Du wirst mich so lieb geleiten immer, nun auch wieder im kommenden Jahre. Wie sehne ich mich auch, Dir Liebes zu tun, Dir zu leben! Ach, daß wir einander treu bleiben in unserem äußeren Wandel, das ist ja das geringste, das mindeste ach das ist selbstredend – wo wir doch viel, viel Lieberes tun möchten! Ein Wunder müßte geschehn, wenn Gott uns im kommenden Jahre zusammenführte, aber bei Gott ist kein Ding unmöglich und voller Wunder ist seine Führung. Und darum dürfen wir auch hoffen! Oh Du mein [Roland]! Laß uns Gott dienen in steter Treue! Gott behüte Dich mein Liebstes! Ganz mein – ganz Dein!

Ich liebe Dich!

Deine glückliche [Hilde], Dein !!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946