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[OBF-430226-002-01]
Briefkorpus

124.

Freitagmorgen, am 26. Februar 1943.

Herzallerliebster mein! Du geliebtes Mannerli! Mein [Roland]!

Fand doch Dein Fraule gestern garnicht die rechte Ruhe, zu Dir zu kommen, das Programm ging schief! Hör nur! Ich muß unsre Brotmarken verloren haben!

Das ist natürlich ein großes Pech — aber es hat bis jetzt alles Forschen nichts genützt, sie sind und bleiben verschwunden. Wir haben uns nun schon so viel Zeit versucht! Beim Bäcker und Krämer war ich, nachfragen, ob etwas liegengeblieben ist. Nichts. Ich fand nur Mitleid, aber nicht unsre Marken.

Na, da heißt’s halt nun, der Tat, sache ins Auge geschaut! Und wir haben auch schon wieder soviel Brot zusammen, durch liebe Leute, daß wir nicht zu verhungern brauchen.

Freilich bis zu unsrer verlorenen Menge bringen wirs nicht wieder, denn wir hatten eine ganz nette Summe Brot gutgeschrieben.

Aber verhungern müssen wir auch nicht. Wie der Verlust entstanden ist und wann, das weiß ich nicht.

Das Dumme ist, daß wir die Karten ausgerechnet diesmal nicht beschriftet hatten.

Es wird auch nicht wieder vorkommen, glaub ich!

Außer denn, wenn mein Mannerli da ist!! Da hab ich meine Gedanken auch nicht beisammen.

Ach Du! Wenn ich nur Dich nicht verliere mal so unterwegs! Das andre ist alles zu ersetzen.

Du!!!!

Mein Mannerli! Die Mutsch hat nun auch endlich ihren Brief fertig und da sehe ich eben, daß sie den Umschlag, den ich ihr gab, noch nicht beschrieben hat. Wundere Dich nicht, wenn er meine Handschrifl trägt. Ich werd diese zwei Boten dann gleich zur Post tragen.

Gestern war ich bei meinen Kleinsten, da hatte ich wieder viel Freude. Die Kleinen sind die niedlichsten Kerle. Und nach 5 Uhr dann besorgte ich einige Wege. Anschließend hielt ich mit Mutsch Abendbrot, Papa hatte Nachtdienst, er mußte eher schon gehen.

Und bis 8 Uhr zur Singstunde war mir zu wenig Zeit, zu Dir zu kommen. Du! Wenn ich einmal bei Dir bin, dann will ich auch so schnell nicht wieder fort! Mannerli!! Mein Herzliebes! Du!!!

Es war gestern die Verabschiedung vom Pfarrer. Er muß heute Mittag eintreffen in Chemnitz bei der schweren Artillerie.

Denke nur seine Frau hat schon wieder eine Fehlgeburt. Und Hiddy meinte, das wäre noch von dem Schreck über Gottfrieds Auge. Das ist natürlich sehr bedauerlich.

Aber ich weiß es, daß sie zu Fehlgeburten veranlagt ist, das erzählte sie mir selbst mal. Sie hat bei den letzten beiden Kindern auch Spritzen bekommen müssen, daß die Frucht hält. Weiß nicht, ob so etwas seelisch bedingt ist, oder ob dann eine Frucht schwer Halt bekommt, wenn die Mutter schon so viele Male geboren hat.

Das ist ja bei ihr der siebente Fall! 4 Kinder leben und 3 Fehlgeburten. Es ist wirklich so: ein Unglück kommt selten allein. Und nun muß auch noch der Vater fort zum Militär.

Frau Pfarrer ist aber schon wieder wohlauf, sie läuft wieder herum. Mir ist das natürlich nicht recht, daß die ganze Sache auf Grund des Unfalles auf dem Heimweg aus der Kinderschar passiert ist.

Wer hat das gewollt!

Sind unglückselige Umstände und wie müssen alle recht froh sein, daß alles noch gut ablief. Ich habe mit den Pfarrersleuten gesprochen. Sie sind sehr vernünftig gewesen und sagten mir, daß hieran keinem eine Schuld beigemessen werden kann.

Ja bei aller Arbeit, die man verrichtet gibt's auch mal einen Ärger. Und solche Anlässe sind eine Mahnung für alle Zeiten. Obwohl man bei Kindern täglich auf neue Überraschungen gefaßt sein muß. –

Schätzelein Du! Nach 10 Uhr bin ich heimgekommen gestern abend und die Mutsch wartete auf mich. Sie nahm mich gleich mit zu Bette.

Bist da eifersüchtig, Du? Ach Du!!! Nicht in ihres! In [sic] Bettlein nebenan!

Und kaum schlief ich tief, da heulten die Sirenen auf: Alarm!!

Es war 1/4 vor Mitternacht.

Ich bin gut auf dem Posten gewesen. Die Mutsch schlief nämlich fest, sie hatte nichts gehört. Aber es rührten sich keine feindlichen Geräusche. Eine reichliche Stunde dauerte der Alarm und in der Ferne böllerte die Flak. Nach der Entwarnung konnte ich lang nicht einschlafen, ich war kalt geworden und neben mir war doch kein liebes Wärmfläschel!

Ach Du! Ich glaub ich brauche auch im April noch eines, mein Mannerli!

Oh Herzelein!!! In meinem Gedächtnis steht der 11. April! Du!!! Heute sinds noch 44 Tage bis dahin! Oh, das ist noch lange, wenn ich untätig warten sollte! Aber so wird mir die Zeit wie im Fluge vergehn, denk ich; denn ich habe ja noch soo viel vor! Ach Du!!! Es ist sooo wunderschön, in Erwartung zu leben! In seliger Erwartung auf das Allerliebste! Du bist doch mein Allerliebtes! Mein Sonnenstrahl! Oh, wie freue ich mich auf Dich! Du ahnst es nicht!!! Geliebter! Du mein ganzes Glück! Mein Sehnen! Ach, ich hab Dich doch sooo unendlich lieb! lieb!!! Herzelein! Sooooo lieb hab ich Dich!!! Oh Du!!!!!!!!!!!!!

Du Herzelein! Das böse Kalendermannerli ist noch immer nicht da! Was soll ich denn mit ihm machen, wenn's wird kommen? Ach, vielleicht ist es alles ganz weise eingerichtet, so wie es kommt?! Wir wissens nicht. Wir werden es aber erleben.

Ach Du!! Herzallerliebster mein!!!

Du! Bist gestern auch wieder so lieb zu mir gekommen, ich sag Dir meinen liebsten Dank dafür! Auch Du hast warten müssen auf die Post, Schätzelein! Das mag an den erhöhten Transporten liegen, die nach Osten zu gehen. Ach, wenn nur von Rumänien her keine Sperre eintritt. Das ist meine einzige Sorge, die vor meinem Glück steht. Wie wollen vertrauen, Liebster! Daß alles gut wird.

Gestern brachte ich Frau G. eine Luftpostmarke hin, die haben wir von einer Bekannten bekommen, damit sie mal wieder ihrem Manne schreiben kann. Ach, sie hat gleich vor Freude geweint. Ihr Mann hat seit 3 Wochen nicht geschrieben und dadurch bekam sie auch keine Marke mit und konnte ihm nicht wiederschreiben. Ach das ist schlimm mit ihr, sie läßt so schnell den Kopf hängen. Es mag daran liegen, weil sie kränklich ist. Es ist auch furchtbar quälend für solche die oft Post hatten immer und plötzlich garnichts mehr. Mir ginge es vielleicht auch so.

Schrecklich ist es, daß es im Osten so zugeht. Was mögen unsre beiden Brüder machen?

Es ist lieb von Dir, daß Du an sie etwas geschickt hast. Hoffentlich kommen die Sendungen an; denn bis auf weiteres ist doch sogar der Feldpostverkehr bis zu 100 gramm gesperrt. Nur noch bis zu 20 g. darf man schicken.

Es täte mir leid, wenn alles nicht ankäme.

Du hast nun schon die Päcklein bekommen, eines fehlt zwar noch – aber wann wird sie unser Kleiner bekommen? Sie haben in Rußland so garnicht mal was Besonderes, eine Leckerei oder einen guten Bissen. Wo sollten sie sich mal was kaufen? Ach, wenn nur erst ein Ende wäre der Qual. Sie tun mir alle so leid, die im Osten aushalten müssen.

Sag? Hast zu mal von etwas gehört? Ich denke oft auch mal an ihn. Seiner Frau möchte ich mal wieder antworten auf den letzten Brief. Ich habe keine Zeit! Immer langt’s nur zu Deinem Boten! Die arme Elfriede wartet auch schon paar Wochen! Und ich komme aber auch immer wieder nur am liebsten zu Dir! Du!!! Herzelein! Du hast Dein Fraule ganz verzaubert! Ganz gefangen! Es schaut nur auf den Einen, den Einzigen! Du!!! Und alles Tun und Denken dreht sich um ihn! Geliebter!!! Du bist doch mein Ein und Alles! Hast mich so ganz gewonnen in Liebe und Vertrauen! So ganz!!!

Oh sei Gott mit unserem Bunde! Er führe Dich gesund heim zu mir! Ich harre Dein lieb und treu! Ich bleibe immer Dein treues Weib! Allezeit ganz Deine glückliche [Hilde], Dein – Du!!! Mein!!!!! Ich küsse Dich vieltausendlieb! Mein Herzensschatz!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946