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[OBF-430215-002-01]
Briefkorpus

114.

Montag, am 15. Februar 1943.

Geliebter!! Mein [Roland]! Herzallerliebstes Schätzelein, Du!!!

Nun bin ich wieder bei Dir! Ach Du! Ich bin ganz sehr froh! Ganz sehr froh darum! Ich hab doch schon so viel Sehnscht gehabt, mein Herzelein! Ach, Du ahnst es nicht. Einen ganzen langen Tag konnte ich nur an Dich denken und nicht zur Feder greifen. Ach Du! Es kommt gottseidank ganz selten vor, daß ich so bei Oma bin, von früh bis abends und wieder bis zum Morgen. Ich hab Dich doch viel zu lieb! Du!! Als daß ich es freiwillig täte, mich so zur Hilfe zu stellen bei Oma.

Ach, es war nur eine Ausnahme, und wenn Mutsch oder Papa nicht heute früh zur Arbeit gemußt hätten, dann wären sie unten geblieben.

Ich sags immer wieder: niemals eine Gastwirtschaft! Diese Nachtsieberei [unklar], das wäre nichts für mich. Früh ist man dann unausgeschlafen und wenn man trotzdem mit der lieben Sonne den Tag beginnen will, dann kann mans auf die Dauer nicht mit den Kräften aushalten. Seinen Schlaf braucht der Mensch.

Aber wie schrecklich stelle ich mir vor, wenn ich jeden Tag bis 1000 oder länger schlafen sollte und könnte nicht mehr den jungen, schönen Morgen erleben! dann ist ja der Tag nur noch halb so lang.

Ach nein, Mannerli! Lieber eine geregelte, gesunde Lebensweise! Mit Dir, mein Herzelein, wird mir’s daran einmal nicht mangeln und so Gott will, werden wir ein Leben miteinander führen, daß es eine Lust ist.

Ja? Du!!! Liebes, liebstes Herzelein!!!

Viel Betrieb war nicht gestern, bei Oma. Das Wetter hielt die Leute im Haus. Sturm, Regen, Schnee – scheußlich!

Und mir war’s nur recht, denn so konnten wie schon 3/4 1 Uhr nachts zu Bette gehn, die letzten Gäste gingen um 1/2 1 Uhr. Die Eltern und schon bei Tage noch heim, ich bin ganz schön verkommen mit Oma allein.

Es gab nur Kartoffelsalat zu breiten mit Spiegeleiern. Weitere Genüsse standen nicht zur Verfügung. Ich war die Küchenfee. Und ich kam mir vor, wie zum Bahnhofsdienst beim Roten Kreuz. Immer etwas für Hungrige oder Durstige bereiten. Ach das mag mal ganz nett sein, aber nicht für immer. Du! In den Zwischenpausen, wo es mal nichts zu tun gab, strickte ich doch an Deinem Strümpel. Eins ist schon ganz fertig und das andre schon ein gutes Stück gewachsen. Sollst doch Deinen Wunsch erfüllt bekommen, Du!!

Und bei dieser Arbeit waren doch meine Gedanken ganz bei Dir, mein [Roland] !

Ach, ich kann doch garnimmer anders, als in all meinen Gedanken bei Dir sein!

Geliebter! Ach Du! Du!!! Wie hatte ich mich gefeut auf das Wochenende, um wieder einmal so recht ganz lange und lieb mit Dir zu plauschen – es kam anders. Du! Ich hab Dir doch soo viel Liebes zu sagen! Geliebter! Soo viel Freude zu künden! Und es ist auch so viel Liebe, die mir von Dir kommt, zurückzugeben – ach Du! Ganz in die Enge getrieben komme ich mir vor, weil Du so sooo lieb täglich zu mir kommst und ich eines mit dem anderen garnimmer zu beantworten nachkomme. Ach Herzelein! Voll unendlicher Liebe drücke ich Dich an mich! Du mein Ein und Alles! Mein bestes Teil! Du bist doch mein ganzes Glück! Meines Lebens Sonne! Oh Geliebter mein!

Liebe!! Liebe wogt zwischen uns! Am Sonntagmorgen, es war nach 9 Uhr und der Postbote noch nicht dagewesen, da bin ich mit Papa gleich unten herum gelaufen bei der Post vorbei, nach Mittelfrohna, ich mußte doch Deinen Boten mit mir nehmen! Und ich bekam doch auch einen, Du! Den von Sonnabend 6.II. – er war wieder mal geöffnet! – aber es stand, garnichts darinnen, worum man Dir Ungelegenheiten bereiten könnte.

Nur von Deiner Liebe, der unendlichen, schenkenden, stand zu lesen – oh Du! Sooo lieb kommst Du im Sonnabendboten zu mir! Daß derjenige, der kontrolliert hat, bestimmt nicht anders konnte, als diese lieben Zeilen zu Ende lesen.

So leid mir es immer ist, wenn man unsere Geheimnisse kontrolliert, so bin ich doch auch gewissermaßen froh, wenn mal ein Mensch mit eigenen Augen sieht, welch reiche, tiefe Liebe noch lebt unter den Menschen, welch reine Liebe, lautere Liebe! Muß diejenige Person nicht irgendwie davon angerührt werden? Und vielleicht trotz allem, was ringsher geschieht, dadurch den Glauben an das Gute wiederfinden? Ich kann mir das ganz gut denken.

Ach Geliebter! Wie wollen fest und lieb zueinanderstehen, was auch geschehen mag um uns her. Du! Ich bleib Dir gut! Ich bleib Dir treu! Immer Deine [Hilde], Dein liebend Weib!

Mein Schätzeli! Von der lieben Elfriede lag der Brief bei, vielmehr vom Mathis! Wie lieb von Elfriede! Ach ja, man kann nicht anders, als sich von Herzen mitfreuen an ihrem reinen Mutterglück. Ich freue mich so wie Du Herzelein! Und ich sehne mich, den kleinen Purzel zu sehen. Es wird wohl so sein, daß ich erst nach Dehsa fahre, ich glaube nicht, daß ich jetzt Zeit finde, wenn keine Ferien sind, eines Wochenendes halber verlohnt sichs wirklich nicht. Wenn nur der liebe Hellmuth gesund zurückkehrt, daß ihnen allen das reiche Glück aufblühen kann, das ein Elternpaar am Kindlein erlebt.

Die liebe Mutter und der liebe Vater schrieben auch zum Sonntag. An unsres Kleinen Geburtstag erinnern sie mich und ich habe doch von allein schon viel eher drangedacht [sic]. Ich würde mich freuen, wenn er die paar Päcklein auch bekäme. Es soll wieder allerhand verloren gehen bei dem Durcheinander im Osten. Es ist eine verteufelte Lage.

Im heutigen Bericht hören wir von der Räumung Rostows [unklar] und Wroschilowgrad [unklar]. Es sind deprimierende Nachrichten. Und alles fragt sich zu Recht: Was soll werden?

Unser Siegfried ist sicher mit dabei. Gott möge ihn behüten. Wo mag Hellmuth sein?

Hat die Mutter auch schon geschrieben, welch harten Schlag unsre liebe Familie H. hinnehmen mußten?

Der Herr F. ist von einer Granate zerrissen worden in Rußland.

Ist es nicht furchtbar?

Ich bin garnicht darüber hinweggekommen. Das ist ein schwerer Schlag für die lieben Leute. Ach, wenn doch nur das Morden erst ein Ende nähme! –

Heute muss nun Onkel Fritz nach Osten, als Fahrer. Tante Friedel war noch nicht da heute Vormittag, als ich heimfuhr. Ich konnte nun noch nicht mit ihr reden. Oma sagte, daß sie die Eltern aufsuchen wollte, bei der Gelegenheit! V[i]elleicht ist sie gar dort übernachtet? Einen Abstecher wollte sie noch nach Langebrück machen, da wohnt ja ihr Bruder. Das wird nun auch vorderhand ihre letzte Reise gewesen sein. Nun sind die beiden Frauen auch ganz auf sich gestellt.

Herzelein! Ich weiß garnicht, wovon ich Dir zuerst erzählen soll. Am Sonnabendabend war aber der Vortragsabend von Professor H.. "Schiller".

Ich war nicht recht aufgelegt an dem Abend. Weiß auch nicht, wie es kam, ich hatte einen schlechten Platz erwischt, weit hinten, dann sprach der alte Herr sehr undeutlich und ziemlich leise. Und ich ertappte mich immer dabei, wie ich mit meinen Gedanken immer bei Dir weilte. Ich konnte mich absolut nicht losreißen, es war so komisch! Herzelein! Wer weiß, was Du gerade um diese Zeit tatest, weil Du mich so ganz hinzogst mit den Gedanken zu Dir?! Du!!! Man ist halt nicht immer für eine Sache aufgeschlossen, zumal wir beide doch meist mit unserem Herzen und den Gedanken ganz woanders sind, als wir gerade leiblich weilen! Schuld daran ist nur die Trennung! Du! Ich kann Dir gewisse Einzelheiten darum nicht erzählen, ich weiß nur, daß es darum ging. Man will uns Schiller, der Goethe zumindest ebenbürtig war, näher bringen, weil er stets als Schatten neben Goethe gelebt hat und existiert. Der Vortragende hob hervor, daß gerade für unsere Zeit, für unsere Kriegsgegenwart aus den Werken Schillers so manches uns gegeben wird, was uns Kraft gibt, wie nichts andres aus dem weiten Gebiete der deutschen Dichtung.

Es war bestimmt alles sehr gut und schön – aber wie gesagt, ich war nicht ganz dabei.

Es war eine Unruhe in mir.

Und Schuld daran war nur mein Mannerli. Ja! Wer dann sonst?! Das nächste Mal werde ich wohl aufmerksamer sein.

Geht Dir das manchmal auch so, Herzelein? Daß Du Dich absolut nicht zur Sammlung zwingen kannst? Ach Du! Wenn ich mein Liebstes bei mir habe, neben mir fühle, dann bin ich auch ganz bei der Sache. So aber muß ich Dich doch immer suchen und herbeiwünschen, Du!!!

Ach Geliebter! In uns lebt die Liebe so ganz lebendig! Und ich kann nur ganz glücklich sein darüber, Geliebter mein! Ach liebstes Herzelein! Ich muß mich so sehr sehnen!

Gebe Gott, daß Du recht bald wieder einmal zu mir kommen kannst! Ich muß Dir alle Liebe schenken, die mich bedrängt, muß Dir mein Herze weihen, ach Du!!! Du!!!!! Geliebter mein! Du bist doch mein ganzes Glück, mein Leben!

Herzelein Du, es war Mittag fast, als ich heimkam heute. Am Morgen bin ich 3/4 8 Uhr aufgestanden. Überall mußten die Verdunkelungen hochgezogen werden, gelüftet, gekehrt, abgestaubt werden, Feuer anmachen, Büffett putzen, Gläser spülen. Die Hühner wollten heraus, hatten Hunger und gackerten wie närrisch. 9 Eier hatten sie gelegt. 3 davon gab mir Oma mit. Dazu gab’s gleich zu Mittag Kartoffelmus und Rotkraut. Ja Mannerli, da gings trab trab heute früh und ich hätte Dich doch garnicht sehr brauchen können, Du! Als Oma aufstand war schon alles fein.

Nachher haben wir erst mal schön miteinander gefrühstückt. ½ 1 Uhr war doch auch schon wieder die Trauung von Herrn M.. Und ich wollte mich doch nicht ausschließen. Es war eine ganz schlichte Feier, nur die 3 Kinder und eine Verwandte Der Pfarrer hielt eine schöne Traurede. Wir gratulierten ihm dann alle noch persönlich, dem Kantor und seiner Frau.

Die Ilse Sch. wird ganz rapplig, weil nun ihr Bräutigam gar keine Aussicht auf Urlaub hat!

Eine Neuigkeit erfuhr ich auf dem Heimweg: eine Sangesschwester, Marga W., weißt? die stille mit der Brille, die an der K.ecke ein Klempnergeschäft haben, die bringt mir jetzt Deine Boten ins Haus! Sie sagte es mir, daß sie geklingelt hätte, sie muß doch nun auch arbeiten und hat sich auf der Post angemeldet. Das freute mich, daß sie nun unser treuer Botenträger wird.

Und weil wir nun gerade wieder beim aktuellen Thema sind, will ich Dir nur auch gleich erst weitererzählen, was ich nach der Hochzeitsfeier tat. Schnell daheim aufgewaschen aufgeräumt, Betten gemacht, gebohnert und Schuhe geputzt. Da war es 3 Uhr. Ich hatte gar keine Ruhe noch, mich hinzusetzen und Dir zu schreiben; denn einen wichtigen Gang hatte ich noch vor: zum Arbeitsamt.

Am Sonnabend erging der Aufruf in der Zeitung an alle Frauen bis zu 35 Jahren, daß sie sich die Meldeformulare abholen müssen in der Zeit vom 15. - 20. Februar. Ich hatte nun keine Ruhe mehr. Wenn so etwas bevorsteht, dann habe ich nicht eher Ruhe, als bis ich Gewißheit habe. Und als ich vor der Tür stand, las ich: Nachmittags geschlossen. Ich probierte es trotzdem und hatte auch Glück. Frau H. und Frl. N., die den Schalterdienst versehen, verhandelten gerade mit einer Geschäftsfrau, die kein Dienstmädchen bekommt.

Und sie sagten mir, ich soll bitte warten.

Na, dann kam ich an die Reihe. Ich entschuldigte mich, daß ich die Schalterstunden nicht inne hielt.

Na, bei Ihnen machen wir schon mal eine Ausnahme, meinten sie. Und da war mir schon das leise Herzklopfen vergangen. Es gab nun nochmal die Rede von meiner Beschäftigung und deren Drum und Dran. Und die beiden Frauen waren übereinstimmend der Meinung, daß ich hiermit meine Pflicht tue. Ich muß aber wie alle, die in die Meldepflicht fallen, meine Angaben schriftlich machen und zur Nachprüfung eingeben. [*] Ich bekäme darnach schriftlich Bescheid wie es wird.

[* = X am linken Seitenrand hinzugefügt. Siehe Abbildung.]

Nun gut. Ich habe meinen Bogen wahrheitsgemäß schon ausgefüllt und gehe nun morgen Abend, wie [*] befohlen zum Ortsgruppenleiter, der eine zusätzliche Mitteilung macht.

Es wird schon alles gut werden! Du!! Die beiden auf dein Arbeitsamt meinten, daß sie sowieso [*] [u]nsren Bürgermeister noch darauf aufmerksam machen würden, daß die Kinderbetreuung noch mehr ausgebaut wird; denn von vielen Frauen ist es verlangt worden, daß dann, wenn sie arbeiten sollen, auch eine Bleibe für ihre Kinder dasein muß. Und überhaupt, so meinte Frl. N. noch, sei es erbärmlich für einen so großen Industrieort wie Oberfrohna, daß für die Kinderbetreuung nicht mehr ausgebaut getan worden sei.

Na, mir kanns recht sein – dieses Fach und kein anderes will ich mir zu eigen machen.

Wir unterhielten uns noch von dem und jenem und es war 1 volle Stunde gleich, daß ich auf dem Arbeitsamt gewesen war. Man verabschiedete mich freundlichst und trug mir Grüße auf an zuhaus. Ich war ganz erstaunt daß man sich soviel Zeit nahm für mich.

Ich vermute nichts Böses hinter diesem Wohlwollen. Wir kennen uns halt gut. Und ich bin ja auch in keiner Weise aufsässig geworden, [w]ider [unklar] die Beamten auf dem Arbeitsamt. In welchem Ton da manch andre Leute da verkehren! Meist gibt es Streit und Zank dort, darum mögen alle ungern aufs Arbeitsamt gehen.

Der Fragebogen stellt zuerst die Personalien fest. Dann Frage nach Berufstätigkeit; wo früher berufstätig? Alsdann, wann Tätigkeit aufgegeben. Wo ehrenamtliche Mitarbeit im öffentlichen Leben?

Zuletzt Erklärung für den Punkt: meinem Arbeitseinsatz in der Kriegswirtschaft stehen folgende Gründe entgegen.

Ich habe nun alles aufgeführt was ich zu tun habe. Nichts vergessen. Und den Nachdruck wird das Schreiben des Herrn S. verleihen.

Trotzdem bin ich gespannt auf das Urteil, auf das Ergebnis vom Arbeitsamt.

Alles wollen sie wissen auf dem Bogen, auch den Beruf des Ehemannes. Danach wird vielleicht auch der Einsatz sich richten.

Na Schätzeli, da werden sich wohl die Herren sagen müssen: wollen wir nur dieses Ehepaar bei den Kindern belassen! gelt? Du!!!

Wir haben nun mal Kinder gern. Ich wäre garnicht böse, wenn ich in einer Krippe, oder was man nun eventuell einrichten will hier im Orte, angestellt wäre. Dann könnte ich doch trotzdem immer heimgehen. Und wäre Dir immer nah! Ja, wer nun auf dem Fragebogen so garnichts angeben kann. Keinen Beruf, kein Ehrenamt, so gar keine Beschäftigung und auch keine Schulbildung, ja die müssen nun damit rechnen, daß man sie irgendwohin in die Rüstung steckt.

Was wird nun Frau L. machen?

Ob sie sich ärgert, daß sie ausgetreten ist aus ihrem Amte? Na, dies zarte Persönchen können sie auch nicht überall hinstecken!

Sie schrieb mir heute eine Karte, Frau K. grüßt mit. Von einem Ausflug nach Innsbruck. Es gefällt ihr ausgezeichnet. Sie wünscht sich ihren Mann zu sich hin.

Und anschließend an den Gang zum Arbeitsamt bin ich zur Schulleitung der Pestalozzi-Schule.

Es handelt sich darum, daß ich die Erlaubnis zur Turnhallenbenutzung bekomme mit meinen Kindern; denn das Jahnhaus ist oft besetzt zu andern Zwecken.

Herr H. verwies mich an einen Herrn G. im Schulamt Limbach. Da muß ich morgen mal anrufen. Hinlaufen tu ich nun nicht auch noch. Das sind lauter solche Gänge die man garnicht rechnet und aufzählt, wenn's gilt und doch nehmen sie viel Zeit weg.

Du kannst es verstehn, denn Du kennst den Betrieb ja auch, Herzelein!

Ich freue mich nur, wenn es draußen erst wieder schöner sein wird; denn dann erst hat man auch Freude an solchen Gängen.

Heute stürmt und regnet es immer noch so, wie seit paar Tagen.

Solch anhaltenden Sturm hatten wie lange nicht.

Ob Du davon auch etwas merkst? Oh Geliebter! Wenn ich Dich nun auf dem Wasser wüßte, bei solch fürchterlichem Wetter. Oh Herzelein Du!

Gott möge Dich vor solch hartem Los behüten!

Geliebter Du! Es ist gleich um 10 Uhr abends, ich habe das Radio eingeschaltet, um den Ausklang der Montagsendung zu hören. Ob Du auch hört? "Schlafe mein Prinzchen, schlaf ein…." gesungen von den Regensburger Domspatzen. So hell und rein, wie die Stimmen gehen – es ist zu schön. Ach Du! Wenn in unsrem Hause mal solch munteres Spatzenvolk singt! Und der liebe Spatzenpapa führt den Gesang! Bringen dann alle der Spatzenmama im Ständchen?

Wie freue ich mich auf unser Leben! Du!!!

Mein [Roland]! Mein gutes Herzelein!

Ich drehe wieder aus, die Nachrichten mag ich nicht hören so spät, dann kann ich nicht einschlafen. Es ist sowieso aufregend genug, was der heutige Wehrmachtbericht bringt. Ach, wohin soll das noch führen! So weit zurück müssen unsere Truppen. Und die Kaukasus Kämpfer ereilt vielleicht das gleiche Schicksal wie die Stalingrad-Kämpfer. Solchen Anschein, hat die Lage heute.

Großer Gott! Unsere Brüder! Siegfried, Hellmuth! Sie sind vielleicht dabei, wo es nun so hart zugeht.

Möge Gott sie behüten!

Ich denke so oft an die beiden. Ach, wenn es doch erst ein Ende nähme!

Geliebter! Laß uns vertrauensvoll auf den Allmächtigen schauen und tapfer weitergehen auf unserem Weg, von dem wir glauben, daß er dem Frieden entgegengeht.

Ach, manchmal ist es so schwer, tapfer zu sein. Aber aus Liebe geht es immer wieder weiter.

Der heiße Wille, sich für den Geliebten sark zu erhalten hilft alle Schwachheit besiegen.

Du! Ich will Dein tapferer Gefährte sein und bleiben, bis in den Tod, mein [Roland]!

Du! Wie lieb ich Dich habe, Du weißt es! Du weißt es! Ich sag Dir’s morgen früh noch hier, Herzelein! Du!!! Jetzt will ich erst einmal ins Bettlein steigen. Ich bin müde, zum Umfallen. Du!! Sei mir nicht bös. Geliebter! Ich nehm Dich mit!!

Ich hab Dich sooo von Herzen lieb!

In unwandelbarer Liebe bleibe ich

Deine treue [Hilde].

Gott behüte Dich! Gutenacht!

Ich küsse Dich ganz lieb!

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Kommentare

drew.bergerson

Di., 02.05.2023 - 19:34

Elfried ist die Frau von Rolands mittlerem Bruder Hellmuth, Mathis ihrer neugeborene Sohn, Neffe von Roland. "Unser Kleiner": damit ist Rolands jüngster Bruder Siegfried gemeint.

Einordnung
Ba-OBF K02.Pf1_.430215-002-01a.jpg Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1_.430215-002-01a.jpg Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946