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[OBF-410427-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 27. April 1941.

Mein liebster [Roland]! Du!! Mein Herzlieb! Herzallerliebster mein!!

Du!!! Jetzt muß ich Dich erst einmal ganz fest in meine Arme schließen! – Oh Du!! Sooo ganz fest! Ein so froher Sonntag ist mir heute beschert worden! Du!! Der 27.4. ist heute – 27+4=31! Ich hab's ja schon geahnt! Geliebter!! Jubel und Freude sind in mir! Ach Du!! Du!! Einen ganz lieben, langen Kuß muß ich Dir schenken! Wenn auch alle dabei sind – was kümmert's mich? Ich hab Dich sooooo lieb! Ich bin sooo glücklich heute!!

Am Morgen kamen 2 liebe Boten von meinem Herzlieb an, vom 15. und 16. April! Ich habe mich ja soo gefreut, Geliebter! Und ich danke Dir herzinnig dafür! Du denkst meiner soo lieb! Du Guter! Liebster!! Und vorhin, wir begannen eben mit dem Aufwaschen, wir Frauen, da meldeten, ‚sie’ im Radio eine Sondermeldung an: Deutsche Panzer rücken in Athen ein!!

Herzlieb!! Du!!! Wie glücklich und mit leuchtenden Augen sahen wir uns an! Du!! Deutsche auch in Athen!! Wer hätte das vor'm Jahre geglaubt! Geliebter!! Geliebter!!! Will es das Schicksal, daß wir bald, bald glücklich vereint uns finden?! Du!! Und ich hatte so sehr den Schlucken! Du hast bestimmt die Meldung auch gehört, Herzlieb! Wie sehr hab ich Dein gedacht! Mir klopft immer das Herz zum Zerspringen, wenn eine neue Meldung von Griechenland kommt! Und kurze Zeit später noch eine Sondermeldung! Du!! Der Vater lag in der Stube auf dem Sofa, wollte Mittagsschläfchen halten, ich habe ihn jedesmal aufgeschwänzt und er kam eilends gerannt, mit Freude zu hören, was Ihr Neues vollbracht habt! Deutsche Fallschirmjäger landeten am 26.4. in Korinth! Du!! Welche Freude! Wir sind ganz aus dem Häusel! Du!! Ich glaub' nun gibt's bald Rosinen bei uns!! Auf der Akropolis ist die Deutsche Flagge gehißt worden! Unfaßbar ist es mir noch! Ach Herzlieb! Wie ein Wunder alles! Und ich muß oft daran denken, nicht lang ist es her, als ich mit Dir in Dresden im Albertinum die alten griechischen Überlieferungen, diese Sehenswürdigkeiten alter griechischer Kunst bewunderte – unser Wunsch wurde laut, das alles einmal in Wirklichkeit zu sehen! Und jetzt ist es soweit, bei Dir! Ob Du freilich bis weit hinunter in den Süden Griechenlands kommst, ist fraglich – doch immerhin, im Lande selbst kannst Du manch Kunstwerk zu sehen bekommen! Ach, ich gönne das alles Dir von Herzen! Wie wirst Du uns dann erzählen!!

Aber – Euch Soldaten wird ‚man’ wenig Muße lassen, solchen Dingen nachzugehen?! Aber wer sich dafür interessiert, der wird auch von seiner knappen Freizeit den großen Teil dafür opfern, sich an all den unwiederbringlichen Momenten zu erfreuen und zu bereichern. Zu allen guten Dingen gehören 3. Und wirklich: es kam noch eine Sondermeldung! Die Soldaten der Leibstandarte überquerten in kühnem Vorstoß den Golf von Patras und dringen nach dem Peloponnes vor (ist wohl ein Berg?) die Halbinsel, selbst, auf der Patras liegt, nennt sich Peleponnesos.

Mein [Roland]! Dieser kühne Vorstoß auf allen Linien, der Deutschen Truppen, wird in einem jeden höchste Bewunderung auslösen! Der Türke muß doch heilfroh sein, daß er vernünftig blieb?! Was mag der Russe so denken, wenn er unsre Vergangenheit und Gegenwart sich betrachtet? Ein gigantisches Werk, dieser ganze, große Feldzug!

Und Du sagst es schon selbst, wie in einer großen Fabrik leistet jeder Soldat seinen bestimmten Dienst und mit Übung erreicht er eine gewisse Sicherheit. Und das ist schon wahr, in der Überlegenheit dieser Kriegsmaschine liegen unsre Erfolge begründet.

Herzallerliebster! Du!! Gebe Gott, daß alles bald ein glückliches Ende nimmt! Du!! Gestern kam das sSchreiben von NS.-Lehrerbund aus Pirna, ich habe sofort Deine Anschrift mitgeteilt! Ich hatte gestern garnicht viel Zeit, Dir darüber mehr zu schreiben, es war früh 9 Uhr und 1/2 10 [Uhr] fuhr unser Zug, nach Chemnitz. Wir hatten uns doch bei M.s versprochen – es war recht nett zu Besuch; abends ¾ 9 [Uhr] waren wir wieder zu Hause. Ach Du! Ich war ja mit meinen Gedanken immer bloß bei meinem Herzlieb, gestern! Soo vielerlei Gedanken waren es, die mir durch den Kopf gingen! Ob es wohl eine [g]ute Nachricht ist, die sie Dir von Pirna bringen? Eine recht freudige Nachricht? Du!! Ich denke mir immer, sie teilen Dir Deine Ständigkeit nun mit! Ach! Du!! Ich würde mich doch sooo sehr freuen für Dich!! Herzlieb! Du!!

Sag? Blicken wir nicht recht hell in unsre Zukunft jetzt? Und wenn nun gar noch Dein UK Antrag Gehör erreichte! Du!! Ich glaube es zwar noch nicht, jetzt noch nicht! Aber hoffen tu ich im Geheimen immer drauf, Herzlieb!!

Eilt! Eilt!, stand auf dem Schreiben! Wer weiß, wielange man schon nach Dir sucht! Ob das wohl auch mit Deiner Reklamation zusammenhängen könnte? Ich bin ja soo gespannt, was die künftigen Monate bringen, Du!!!

Ich war gestern so aufgeregt Herzlieb, daß ich schon krank wurde, in Chemnitz, abends um 6 Uhr. Wie eine Erregung doch auf den Blutkreislauf Eindruck macht. Ich bin eben in dieser Hinsicht zu feinfühlend, eine robustere Person spürt äußere Einwirkungen nicht gleich so schnell auch innerlich.

Du!! Ich weiß nicht was mit mir wäre, wenn ich die große freudige Erregung erlebte, daß Du wiederkommst! Und bald schon! Ach Du!! Ich würde mich überfreuen! Geliebter!! Und – Du! Du!! An das Gegenteil einer solchen Erregung mag ich gar nimmer denken, Herzlieb! Wie das ausginge – ich weiß es. Nein! Du stehst in Gottes Hand! Und es ist Sünde, so zu denken! Undankbar muß ich mich schelten, wo ich schon soo viel Güte und reichen Segen aus Gottes Händen erfahren habe mit Dir, mein Herzlieb!!

Du bist mir von Gott bestimmt, als mein Beschützer für dieses Leben – und Du wirst mir wiederkehren! Du lebst mir allein, mein [Roland]! Dein ganzes Streben, all Dein Trachten, es gilt mir, Deinem Weibe, Deiner Heimat! Du!! Und ich halte Dir mein Herz offen, ganz weit offen, daß Du jederzeit Einlaß finden kannst! Geliebter!! Geliebter!!

Wo soooviel innige Liebe wohnt, da gibt es ein jauchzendes, frohes Wiedersehen! Wir beide mögen die Liebe nur so groß und bedeutsam! Nur so groß und bedeutsam konnte sie uns so bewegen, konnte sie unsre Herzen so froh und glücklich schlagen machen. Das Bild der Liebe und des Lebensbundes ist uns so heilig, ist erfüllt von allen geheimsten und innigsten Wünschen – war es schon, ehe es wirklich Wirklichkeit wurde, Du!!

Von Deiner Gesundheit berichtest mir in einem Boten eine kleine Unstimmigkeit, Herzlieb! Es kann nichts Gefährliches sein, so wie Du mir schilderst, aber es war recht und gut, daß Du Dich gerü[hr]t hast – so wird der kleine Schaden schnell behoben. Es ist nicht angenehm, wenn man dauernd einen Schmerz verspürt, gerade beim Gehen. Wirst Dich bissel verdehnt haben beim Stiefelanziehen Brav, daß mein Hubo der lieben Sonne den Rücken fleißig hinhält, die meint es doch soo gut mit allen – am Ende guter [sic] als Deine [Hilde]? Hm?!!

Waschmann hast Du auch gespielt?, was wird bloß für ein geschickter Hubo aus dem Krieg kommen! Ich kann ihm doch dann garnichts mehr vormachen!! Soll ich Dir die Socken selber waschen? Es dauert bloß zu lange, ja? Wenn die Mutter am Freitag heimfährt, wird sie Dir dünne Socken mitbringen! Denke nur, wir sind eingeladen zu E.s Silberhochzeit! Wenn Mutter das geahnt hätte, konnte sie etwas später zu uns kommen und gleich von hier nach Breitenborn fahren. So muß sie nun erst noch mal heim nach Kamenz, sie ist doch nicht auf solch Fest eingerichtet! Vater hat auch keine saubere Wäsche mehr in Döbeln. So fährt sie erst mal eine Woche heim und kommt am Freitag, den 9. Mai wieder, bleibt dann noch bissel da.

Herzlieb! Euer Osterfest ist nun auch vorbei, wirst es wohl froh und gesund verlebt haben? Wirst mir schon berichten davon! Ob Du wohl die Osterpäckchen aus der Heimat erhalten hast? Bist nun immer noch am gleichen Orte, wie ich lese, vielleicht brauchst garnicht erst noch mal weiter fort? Vielleicht kommt es unterdessen dahin, daß Frieden wird auf dem Balkan und Hubos Reklamation tritt in Kraft!!

Nein – nur nicht solche überhebliche [sic] Wünsche und Gedanken hegen! Immer Geduld haben, es ist uns alles, alles durch Gottes weise Voraussicht schon bestimmt und beschieden; wir wollen gläubig und vertrauensvoll ausharren, mein Lieb! Es ist das alles ja nur eine Unterbrechung, uns[e]re Trennung. Nichts vermöchte uns abzuziehen von dem Wunsche, das Begonnene fortzusetzen. Nichts kann uns verführen, daß diese V Fortsetzung unmöglich würde! Heilig und teuer ist uns unser Glück! Mächtig der Wille, an ihm weiterzuschmieden! Du! Geliebter!! Gläubig und fest wollen wir vertrauen darin, daß Gott mit uns ist und unseren Bund segnen wird!

Du!! 1610 [Uhr], schon wieder eine Sondermeldung! Man hat mich hinüber in die Küche gerufen, um zu hören. Ich bin nämlich ausgezogen, es ist mir zu laut drüben: Radio, Unterhaltung sie schneidern, die beiden Mütter, Vater macht Spaß dazu! Ich sitze hier in der Stube, die Kamelhaardecke um Hüften und Beine geschlungen, ein Tuch um die Schultern, es ist so kalt! Draußen schneit es immer noch, es sieht ganz weiß aus. Verrücktes Wetter! Aber ich schreibe mich warm! Dickerle! Herzlieb! Dann will ich mich wieder zu den anderen setzen und mit Musik hören. Du! Ich sehe aus, wie so eine verwickelte Bulgarierin [sic] auf Deinem letzten Film! Der Griff bei Mutter und Kind an dem Mund ist gleich, eine scheue Gebärde. Interessant sind die Aufnahmen.

Also, die Sondermeldung: 4 engl. Schiffe versenkt, die Truppen aus Griechenland heimbringen wollten – 10 Schiffe schwer beschädigt. Ein harter Schlag – doch gerecht und bitter notwendig! Herzlieb! Sag? Hörst Du die Wunschkonzerte an? Eben höre ich die Erna Sack jubilieren – durch 2 verschlossene Türen!

Mein Herzlieb hat von mir geträumt, ganz süß? Oh Du!! Du!!! Ich möchte dabeigewesen sein, mein Lieb!! Leis, ganz leis davon reden! Du!!!!! Geliebter! Mein geliebtes, teures Mannerli! Du!! Mein Sonnenschein! Du hast mir heute so viel Freude gebracht! Ich danke Dir mit meiner ganzen Liebe dafür, Herzlieb! Sie gehört Dir allein, mit aller Glut und Beständigkeit! Du!! Du weißt es ja! Ich bin Dein Weib, ganz Dein in inniger Verbundenheit! In tiefer, heiliger Liebe! In unverbrüchlicher Treue!

Was Du mir in Deinem lieben Brief vom 16. erzahlst [sic] will ich Dir morgen in einer ruhigen Stunde beantworten! Du!! Es hat mich tief berührt – und beglückt zugleich! Du!!! Du bist mein [Roland] geblieben, ja! Bist's geblieben! Ach, ich weiß, Dich ändert keine Macht auf dieser Erde mehr. Du lebst nur unsrer Liebe – wie ich! Und so ist es gut! Du!!!! Ich bin so ruhig im Herzen! Geliebter! Wie auf einer stillen, einsamen Insel leben wir mit unserm Liebesglück! Nichts beirrt uns! Nichts! Du! Ich liebe Dich! Mein Leben! Gott sei mit Dir, alle Tage!

Ich bin und bleibe immerdar ganz Deine [Hilde].

Deine Holde.

Viele liebe Grüße von allen Lieben aus der Küche!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946