Bitte warten...

[OBF-410623-002-01]
Briefkorpus

Schmilka, Montag, am 23. Juni 1941.

Herzallerliebster! Du mein lieber, guter [Roland]! Du!!!

Es ist jetzt mittags nach 2 Uhr, wir haben uns vorhin kugelrund und satt gegessen, es gab Schweinskoteletts mit Sauerkraut, Kartoffeln und Zitronenkaltschale, Herzlieb! Sag? Bekommt Ihr da auch mal Kaltschale oder ähnliches? Gestern aßen wir Gulasch mit Kompott, weil die gefüllte Kalbsbrust, auf die wir’s abgesehn hatten, ausverkauft war.

Und nun sitze ich auf unserm Balkon – auf Deinem! Du!! Die Sonne scheint mir warm auf’s Fellchen, ich habe meinen Strandanzug an, bin zwar bissel entblößt, aber hier oben gehts keinem ‘was an und außerdem sehen mich die Leute nur hinter Balkongittern. Mutsch hat mich gut eingeölt auf dem Rücken und nun kann die ‚Gans bräunen‘, stimmt’s?

Frau Ssch.s kleines Tischel haben wir oben auf dem Balkon stehen, da kann ich besser schreiben als im Liegestuhl auf den Knien, wie gestern. Wir trinken morgens hier draußen Kaffee und essen zu Abend, wenn nicht in der ‚Helvetia‘. Ach, es ist zu schön! Herzlieb! Wie in den Tagen, da ich bei Dir hier war, ach! Könntest Du doch bei mir sein!! Wie einzig schön wäre das doch!

Ich wollte Dir gerne mit Tinte schreiben heute, da ich im Orte keine bekomme und erst morgen mit Mutsch nach Schandau fahre, muß es nun heute nochmal mit dem Stift gehen. Frau Sch. sah vorhin ihr Gästebuch ein und trug irgendwas nach und schwippte ihr Faß Tinte mitten über das Buch – alles pfutsch!! Die alte Schußpelkanne [sic]! Nun mag ich ihr das bissel Tinte nicht noch verschreiben! Die Mutsch liegt auf dem Sofa, wir haben die Tür offen und [sie] schläft. Was meinst [Du] deann, wie wohl ihr die Ruhe tut! Im Gesicht sieht die schon richtig entspannt aus. Konnte der dumme Vater nicht mitkommen?

Heute früh haben wir also erst mal fein ausgeschlafen.

Bis 8 Uhr! Dann uns gemächlich fertig gemacht zum Kaffee. Den kocht uns Frau Sch., um 9 saßen wir am Tische. Fast eine Stunde tranken wir Kaffee und da kam der liebe Postbote! Und brachte mir den 1. Brief in die Sommerfrische! Wie hab ich mich gefreut! Ich lasse alle Post umschreiben, solang ich hier bin. Vom Mittwoch dem 18. Juni ist Dein Bote, und die vom Sonntag bis zum Dienstag vorher stehen noch aus. Werden schon nachkommen. Vorige Woche begann es genau so und nun habe ich doch alle Deine Boten noch bekommen! Ach Du!! Und nun hörte ich durch den Rundfunk, daß bis auf weiteres Postsperre sei! Und ic[h] bin ja sooo traurig darüber, denn nun wird mein Hochzeitstaggeschenk wohl nimmer zurecht kommen! Wie schade!!

Wie schade!!

Aber da hilft kein Jammern, ich will mich schon freuen, wenn es überhaupt in Deine Hände gelangt! Es täte mir sehr leid, wenn es verloren ginge; denn es gefällt mir eigentlich gut, was ich Dir schenken möchte. Hoffentlich gefällt’s Dir auch, Herzlieb!

Du!! Du!!!

Freilich! So ein liebes, liebes ach so liebes Geschenk, wie Du mir machst zum ersten Hochzeitstag, ist es nicht[,] kann es garnicht sein, denn so kostbar ist allein die Geschichte nicht, die um’s Geschenk kreist, wie die Deine! Ach Herzlieb! Geliebter! [Roland]! Du!!! Du bist sooooo lieb zu mir! So herzensgut!! Du!!! Bin ich denn soviel Liebe wert!? Du!!!

Ach Geliebter! Er ist bei mir, Dein Brief vom Freitag, den 13. Juni – da Du mir alles so rührend lieb erzählst, wie Du zu diesem kostbaren Geschenk kamst! Du! Ich habe doch vor Freude und Rührung weinen müssen! Ach – ich könnte Dich ganz sehr liebhaben weil Du so sehr lieb an mich gedacht hast!

Du!! Oh Du!! Wie kannst Du zweifeln daran, daß ich keinen Gefallen finden könnte an diesem Kleid?!! Du!!! Ich habe es nun noch nicht gesehen – ich bilde mir auch nichts Bestimmtes ein – es lebt in meiner Phantasie wie Du mir’s vorstellst in  Deinem lieben Briefe! Und ich muss es doch schon jetzt liebhaben, das Kleidel! So wie sich mein Herzlieb darein verliebt hat, so habe ich es schon lieb von Deiner Beschreibung her. Nein – noch vielmehr hab ich es lieb um seiner Geschichte willen. Wieder eine liebe, eigene, kostbare Hubogeschichte!

Ach Du!! Wenn ich das Kleidel nur erst habe! Um keinen Preis gebe ich’s wieder her!! Du!!!

[Ic]h werde es sooooo fest halten und lieb und wert halten, wie mein Mannerli selbst! Ja Du!!! Du!! Du bist ein zu liebes, liebes Mannerli!

Ach Du!! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Und nun muß ich sooooo weit von Dir fort sein, mich sooo lieb beschenken und beglücken lassen! Und kann Dir nicht einmal zeigen, selber zeigen wie lieb, lieb, lieb ich Dich habe! Wie so von ganzem Herzen ich Dir danken möchte für alle Deine große Liebe! Ach Geliebter!

Ich kann tief traurig werden darüber! Du!!! Aber es geht ja nicht anders!! Es muß sich alle Freude und Dankbarkeit und Liebe und Seligkeit nur in Worten kund tun – im Briefe!

Und ich will nur nicht undankbar sein! Ist es denn nicht eine große Freude für mich, zu wissen: du sagst ihm alles was Dich bewegt, darfst alles dir von der Seele schreiben und die treuen Boten sie gehen sooo weit hin zu ‚ihm‘ und berichten ihm getreulich was dich bedrängt! Ach ja, das ist ein großes Glück, daß es einen Weg immer noch gibt, der die Verbindung zwischen uns aufrecht erhält. Wie furchtbar sind doch schon allein ein paar Wochen Postsperre zu ertragen!! Zu denken; Du und ich für Monate voneinander getrennt und keine Verbindung! Schrecklich! Undenkbar!

Oh Du!! Ich will nicht klagen, daß ich nicht genug Dich meiner Liebe und Dankbarkeit versichern kann durch die Briefe! Es wäre undankbar! Geliebter! Du verstehst mich, Du!! Mein Herz! Und Du weißt, wie überglücklich Du Deine [Hilde] machen kannst mit Deiner Liebe mit Deiner Anhänglichkeit, durch Deine Treue, durch Dein Vertrauen! Ach mein Lieb, Du bist mir der Allerallerliebste auf Erden! Nur Dich mag ich! Nur Dich liebe ich!! Sei Du auch soooo froh und selig mit mir!! Ich bin Dein – Du bist mein! Soviel Glück!!! Und wenn Du erst wiederganz bei mir weilen kannst! Welch köstliche Zeit bricht dann für uns beide an! Oh Du!!! Geliebter!! Geliebter!! Beschenken und danken, einander selig erfüllen – ach – des Glück’s kein Ende! Du!!!

Wie ich Dich liebe! Wie ich Dich innig liebe[!] Mein [Roland]! Ich muß heute so glücklich sein! Du bist sooo lieb zu mir gekommen! Du erfüllst mich so ganz mit Deiner Liebe und Treue! Oh Geliebter! Lasse Dir danken! Ich bin soooo selig-froh! Und düster scheint der Himmel, drohend, ein neues Kriegsgewitter im Osten. Wir müssen stark sein und bleiben und ganz zuversichtlich – nach allem Grauen wartet unser Leben! Unsre Zukunft. Sie soll unser Glück in diesem Leben sein – wir wollen leben, wir müssen leben! Du!! Wir sind unlösbar miteinander verbunden!

Gott wird mit uns sein! Er schütze und behüte Dich mir! Du!! All mein Glück! Mein Leben! Ich bin Dein!!!!!

Deine [Hilde]! Du!! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Ich gehöre Dir mit meinem ganzen Herzen! Du!! 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946