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[OBF-411005-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 5. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Du!!!

Da haben mich meine Anzeichen in bezug auf Wettervorhersage wieder mal gründlich an der Nase herumgeführt! Anstatt heute früh vom Sonnenschein geweckt zu werden, vom blauen Himmel, verschlief ich es erstens! Und mußte um 8 [Uhr] von der Mutsch geweckt werden, um zur Zeit in die Kirche zu kommen. Und es begrüßte mich zweitens ein ganz grauer, dick vernebelter Tag. Man sah kaum die Nachbarhäuser. Und dieser Nebel wich nicht bis zum Mittag, da erst löste er sich in Nässe auf. Nun ist Luft geworden und dann und wann schaut einmal die liebe Sonne durch die Wolkenwand.

Ich benutze den heutigen Sonntag gleich mal, um meine Briefschulden in alle Richtungen zu begleichen. Mal sehen, wie weit ich komme. Du!! Mußt Du heute mal mit Wenigem vorlieb nehmen, Herzlieb! Sonst werde ich konfuß [sic]! Meinst Du?

Da sind: die Eltern, habe ich bereits gestern abend noch besorgt. Dann: Fidi, sie möchte auch die Negative haben. Ihr letzter Brief an uns beide liegt noch unbeantwortet. Familie H., muß ich mich unbedingt bedanken heute. Morgen muß sich der Ärmste dem „Messer“ ausliefern. Dann Heidis‘ [sic] Hochzeitsbriefchen. Tante Herta habe ich eine Schnittbestellung aufgesetzt aus einem Wiener Modejournal, sie kann es nicht, und [will ihr] gleich eine Hochzeitsphotographie, wo die Kinder drauf sind mit beilegen, darf ich nicht vergessen.

Dann wäre noch Tante Marie P. und das Häsel. Ob die heute drankommen, das weiß ich noch nicht. Ich möchte auch noch ein Stück an die Luft. Und heute abend geht die Ilse Sch. mit uns ins Apollo-Kino! Die Wochenschau ist so interessant. Ob der Film etwas taugt? „Ich kenn‘ dich nicht – und lieb‘ dich doch [sic].“ Mit Magda Schneider und Hans Söhnker [sic!].

Vorhin habe ich erst mal unter dem Radiotischel aufgeräumt. Alle Deine Briefe eingeheftet, die Kontenauszüge. Eine neue Schachtel gesucht, wo ich den übrigen Kram aufbewahre. Nun kann sich die Post wieder häufen! –

Heute, im Erntedankgottesdienst hat es mir nicht [be]sonders gefallen. Ich weiß nicht – ich kann den Pfarrer nicht mehr leiden. Was er redet, findet bei mir keinen Widerhall, berührt mich so wenig. Erst habe ich das garnicht so stark empfunden. Hat er jetzt nachgelassen? Oder bin ich gewachsen, daß ich ihn besser durchschaue? Ich gehe ja auch nur der Kantorei zuliebe in die Kirche, seine Predigten zu hören. Wenn ich einmal richtiges Verlangen habe nach Zuspruch und Trost, dann gehe ich nach Limbach. Wir sangen heute 2 Lieder: „Preis und Anbetung sei unserm Gott…“ und „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre…“ von Beethoven. Es ging gut. Aus den „Festglocken“ singen wir doch am liebsten. Und wir haben es am letzten Male auch dem Kantor gesagt, wie wenig sympathisch uns die neue Kirchenmusik ist. Er ist der gleichen Meinung – bestimmt aber zu feige, sich beim Pfarrer durchzusetzen. Er meinte zwar, daß er sich schon mit ihm darüber ausgetauscht hätte. Er verlangt aber auch das neue Liedgut! Her Er will sein Bestes tun, meinte S.

Die Kirche war gut besetzt; sogar Verwundete aus dem Lazarett waren eine Anzahl [sic]. Die Kantorei hat übrigens vor, auch einmal im Lazarett zu singen. Man hat es wohl verlangt. Wann, ist noch ungewiß. Wir müssen erst mal Volkslieder durchüben. –

Herzlieb! Als ich heute Deinen Lebensversicherungsabschnitt, ich meine den von der Zahlkarte einheftete, da fiel mir etwas in die Hände. Ich hatte garnicht mehr dran gedacht, daß Du auch dabei warst! Den Lehrgang vom Roten Kreuz für: „Erste Hilfe bei Unglücksfällen und plötzlichen Erkrankungen“! Da hast Du sogar auch die Prüfung abgelegt! Das werde ich auch tun am Schlusse. Da haben unsre Kinderchen aber mal gescheite Eltern in diesem Fache, gelt? Dr. H. war auch Euer Ausbilder zum Teil. Er ist Zugführer von der Bereitschaft Oberfrohna. Na, nun bin ich wenigstens beruhigt, daß Du nicht dagegen sein wirst, weil ich mich angemeldet habe. Du!! –

Denke nur, Herzlieb! Ich habe heute wieder vergeblich auf Post von Dir gewartet. Die alte dumme Flugpost, sie hat mich verwöhnt! Und nun dauert es mir zu lange, wenn sie mal per Bahn geht. Na, morgen kommt gewiß etwas! Ich bin auch ganz ruhig. Ich habe doch schon das in Händen, was ich wissen wollte und wissen muß, um außer Sorge zu sein: daß Du gesund und wohlbehalten wieder gelandet bist. Und daß Du mich noch ganz sehr liebhast, Du Herzensschätzelein! Das ist mir fast genau so wichtig wie Deine Gesundheit! Ach, mein [Roland]! Ich habe Dich ganz sehr lieb! Soooooo ganz sehr lieb! Wie keinen Menschen noch auf Erden! Und ich will Dich lieben von ganzem Herzen mein Leben lang! Du!! Ich muß Dich ja lieben! Du!! Geliebter! Mein Leben! Gott behüte Dich mir! Er lasse Dich gesund heimkehren einst!

Für heute nimm tausend innige Küsse und Grüße von Deiner treuen [Hilde]. Du!! Mein Sonnenschein! Du bist mein Ein mein Alles!

Du bist mein Gedanke bei Tag und bei Nacht! Oh Du!!!

Viele liebe Grüße von den lb. [sic] Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946