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[OBF-430213-002-01]
Briefkorpus

113.

Sonnabend, am 13. Februar 1943. Geliebtes, teures Herzelein! Mein [Roland]! Du!! Herzallerliebster!

So ein Wetter draußen heute! Ein Sturm, wie wir ihn lange nicht hatten. Schneeschauer wechseln, ab mit Sonnenschein, graue Wolken jagen am Himmel, huh! wie muß es aber einige hundert Meter weiter oben pfeifen! Ich meine immer, daß ich’s schon am meisten spüre, weil ich so weit heroben wohne. Was meinst Du wohl, wie drüben im Kämmerlein der Sturm durch die Luftlöcher in der holzverkleideten Wand pfeift. Die losen Schiefer machen ein Konzert!

Aber das geht alles vorbei.

Und ich freue mich doch jetzt, daß ich im Stübel sitze im warmen und Dein denke dabei. Ich hätte ja noch vielerlei zu tun, aber ich hebe es auf für später.

Denke nur, wie müssen zur Oma für 2 Tage, Es kam so. Gestern abend hat Oma angerufen bei Vater, daß der Onkel Fritz aus Kamenz! telegraphiert habe, Friedel soll rasch noch mal hinkommen, am Montag den 15. geht's ab nach Rußland.

Was er in Kamenz macht? Sicher bei den Kraftfahrern. Du kannst Dir vorstellen, daß alle unten kopflos sind, weil es so unverhofft kam.

Selbstverständlich soll Tante Friedel fahren.

Und wir lassen Oma nicht im Stich, bis sie wiederkommt.

Heute mittag ist Mutsch runtergefahren. Papa hat bis heute abend 1800 Dienst und wird erst mit mir morgen Vormittag hinuntergehen; denn ich will mir doch so ungern den Schiller-Vortrag entgehen lassen heute Abend. Ich komme morgen noch Zeit genug, denn ich muß da auch mal eine Nacht unten bleiben. Es muß jemand in der Küche sein, wenn Oma allein die Gäste zu versorgen hat. Am Montagvormittag muß ich dann wieder herauf mit dem Bus; denn 12.30 wird unser Kantor getraut, da möchte ich mitsingen.

Ja, immer etwas Neues, gelt? Und nichts Gescheites.

Da hilft nun unserem guten Fritze auch nicht sein Köppchen Köppchen, das Vielgepriesene, auf das er auch Dich seinerzeit mal aufmerksam machte, besinnst Dich?

Ihm schadet es keineswegs, wenn ihm mal ein andrer Wind um die Nase weht. Er saß immer zu hoch zu Pferde.

Für die Oma werden es Sorgen sein, gewiß. Aber wieviele Mütter haben denn nicht mehrere Söhne draußen! Und direkt an der Front. Ich denke nur an unsre liebe Mutter, die Euch 3 Buben ziehen lassen mußte, nun schon so lange.

Sie darf auch nicht verzweifeln. Und sie trägt es so tapfer. Man muß sein Leben und Geschick in Gottes Hand wissen, dann kann man auch ganz stark und tapfer sein.

Ach Herzelein! Und doch braucht jeder auch der gläubigste Mensch einmal Trost und Zuspruch. Unsere Zeiten sind auch sehr hart und ernst.

Möchte Gott uns allen beistehen.

Du!! Mein Herzelein! Heute Nacht habe ich doch wieder von Dir geträumt, ich weiß nur nicht mehr, was es war. Ganz verworren alles. Aber Du warst mir nah! Das ist doch meine ganze Freude, Du! Ach, ich habe Dich ja sooo lieb!! Mein Schätzelein! Heute ist auch Dein lieber Montagbote zu mir gekommen und hat mir so sehr viel Freude gemacht! Ach Du! Du!!! Herzallerliebster mein! Jubeln will mein Herz, alles in mir, daß Du mich soo lieb hast! Daß bu mein bist! Geliebter!!! So ganz mein!!

Ach, Gott im Himmel! Ich bin ja so dankbar!

Bleibe mein Eigen, Du! Wie ich ganz Dein bleibe! Du!!! Ach Geliebter! Ich muß jetzt erst noch einmmal ganz allein mit Dir sein, – (weil Mutsch fort ist und ich so schön für mich bin! Du) – will alle Liebe, die in Deinen geliebten Boten zu mir kommt, in mich aufnehmen und in mein Herze hineinströmen lassen. Will stille werden mit Dir, in stummer, seliger Zwiesprache der Herzen, ach Du!!! Du!!! Will ganz Dich in mich aufnehmen. Geliebter! Und will dann weiter Dir schreiben, will dann wieder zu Dir kommen.

Oh wie liebe ich Dich!

Wie entbrennt mein Herz in Liebe und Sehnsucht nach Dir. Geliebter!

Ich kann nicht sagen, wie ich Dich liebe!

Oh halte mich fest! Ganz, ganz fest! Mein Alles! Wie freue ich mich auf unser Wiedersehen! Oh, dann....... Du!!! Dann öffnen sich alle Himmel! Dann bin ich Dein – Du bist mein!

Mein [Roland]! Ein Stündchen, habe ich mich hingestreckt auf das Sofa und habe Deine letzten beiden Boten gelesen und habe dann die Augen geschlossen und Dein gedacht. Ach Du! Geliebter! Mein Einziggeliebter! Wie soll ich Dir nur mein ganzes Glück künden? Wie Dir sagen, was in mir glüht uud brennt? Ganz stumm möchte ich jetzt Herz an Herz ruhen. Ganz stumm und selig. Dich ganz leis küssen.

Du!

Nichts fühlen als Dich, und Deinen Herzschlag.

Ach Du!!! Mein [Roland]! Mein [Roland]! Oh, Du bist all meine Sonne und ganze Freude!

Und das möchte ich Dir doch sooo gern wieder zeigen, sagen! Du!!! Zu Deinem Glücke, Geliebter! Ach Du! Ach, Du bist meine Geborgenheit, meine Heimat! Geliebter! Wie so gern möchte ich jetzt bei Dir sein, ausruhen an Deinem Herzen.

Es ist wie eine Entspannung über mich gekommen, oder wie eine Müdigkeit, ich möchte jetzt nichts, als bei Dir sein, die Augen schließen und Deine Liebe spüren, sie in mich aufnehmen, weit und tief! Ach Du empfindest es ganz ähnlich Geliebter, nun sich alles in Wohlgefallen auflösen will. Aber der Druck wird noch eine Weile bleiben denke ich, bis die Entscheidung ganz gefallen ist.

Ach Du! Zu manchen Stunden will es mir selber noch nicht ganz in den Korpf, daß ich frei sein voll, frei!

Ach Du! Nun Du diese Freude mit mir teilst ist sie vollkommen. Oh Du mein [Roland]! Du dankst mir, daß ich mich an Deine Seite gekämpft habe. Du!! Wie hätte ich anders können, wo ich doch weiß, wie Du mich liebst! Ich habe Dich immer schon so lieb verstehen können. Wir sind ja eins im Denken und Tun. Ich habe nur getan, was mein Herz mir gebot, ich habe mich hindurchgerungen zu dem, was meine Liebe mir gebietet.

Ich habe getan, was in meiner Kraft stand. Und das Schicksal will es gut mit uns meinen. So glauben wir doch nun! Alle Dinge, alle großen Entscheidungen sind mit Schmerzen verbunden, ehe sie Tatsache werden. Ich habe auch gerungen zwischen Liebe und Pflichtgefühl, ach – weißt Du Liebster? Was mir alles gegenüherstand in den Tagen, das kann ich garnicht wiedergeben, es was schon ein kleiner Kampf. Eine Bewährung. Obwohl ich tief im Herzen entschieden bin. Oh Du weißt es! Schon immer!

Wenn es eine Entscheidung gibt, dann nur Du!

Wenn es eine Wahl gibt, dann nur Du!

Oh Geliebter! Meine Seele ist doch nicht mehr allein, Du lebst vereint mit mir. Bist mein bestes Teil, mein zweites, andres ich. Geliebter! Nichts ersehne ich mehr und lieber und inniger und heißer, als ein Einssein, ein Eingebundensein mit Dir!

Du weißt es! So inbrünstig wie Du verlange ich danach. Unsre Liebe ist noch so jung, sie drängt so sehr nach Erfüllung. Am allerliebsten möchten wir doch ganz nur einander leben, aber äußerlich können wir’s noch nicht, der Krieg und die Trennung hindern uns daran.

Und darum drängen sich unsre Herzen nur immer inniger zueinander.

Ach wer versteht das, außer Dir und mir! Wir müssen allein uns verteidigen gegen Unverstand und Mißverstand. Und bleiben dadurch allein unter den Vielen, bleiben einsam im Herzen und sind darum doch immer bereit, den Geliebten aufzunehmen und einzulassen. Du!!!

Wir wollen ja garnicht die Herzensgemeinchaft andrer Menschen. Wir sind uns selbst genug.

Geliebter!

Ein Eigensinn lebt in uns. Und er beherrscht Dich noch viel stärker als mich. Aber in Deiner Liebe prägt sich mein Wesen auch immer mehr dahin und ich will doch das was Du willst! Du!!! Auch ich will Dich soo ganz!!! Du weißt mich daheim, ich weiß Dich in der Fremde. Du ließt etwas ganz Liebes zurück, ich ließ etwas ganz Liebes ziehen.

Ich halte Dir die Heimat, die Liebe – Du die Sehnsucht nach der Heimat und hältst wie ich die Liebe und die Treue fest. Du! Ich gehe daheim, Du stets in Gedanken mit mir. Ich weiß es. Ich halte Deinen Platz, Geliebter! Ich werde Dein liebes Weib bleiben, so wie Du es willst. Du!!!! Nichts Trennendes, nichts Fremdes zwischen uns. Ach Du! Bin doch so ganz nur Dein Eigen! Immer! Immer im Herzen. Du hast nur mich, wir haben noch nicht Haus, noch Hof, noch Kindlein, haben nur einander! Und halten einander ja sooo lieb, sooo fest, wie selten zwei Menschen. So wie ich Dein liebster bester Besitz bin, so bist Du mir’s ja auch, mein [Roland]! Ich lasse Dich nicht! Und ich bin ganz ruhig und ganz froh, selbst wenn Du mal in einer gefährlichen Umgebung weilst, gefährlich insofern, als es jemand wagen würde, Dich mir zu nehmen. Dich kann mir niemand nehmen. Ich habe Dein Herz, habe Deine ganze, ungebrochene Liebe!

So glücklich weiß ich das!

Und ich gehe hier in der Heimat, wo es auch sei, immer als Dein Weib, als Deine liebe Frau. Ach Du! Mein [Roland]!

Gott sei gnädig unsrer großen Liebe! Er lasse sie reiche Früchte bringen und erhalte uns noch viele Jahre einander am Leben, wir möchten es doch so gern beginnen miteinander!

Ach, Geliebter!

Du! Herzelein! Am Sonntagmorgen hast Du auf dem Wege nach der Dienststelle ein Hufeisen liegen sehen! Und hast – weil Du eben noch ganz in Gedanken bei mir und der wichtigen Dinge die zuhaus vorgehen warst – an eine Möglichheit des Glückes gedacht. Du Lieber! Wer immer so mit aller Liebe heimdenkt und so viel Gutes und Liebes seinen Gedanken auf den Weg mitgibt, dem muß ja Erfüllung werden! Du!! Du hast mir mit Deiner großen Liebe siegen helfen! Das lasse ich mir nicht nehmen! Du!!!

Du hast unseren Ortsgruppenleiter noch in guter Erinnerung von Deiner Dienstzeit her in Oberfrohna. Und Du freust Dich mit mir, daß er mich beläßt und Fürsprache für mich einlegt. Und daß er mich als Deine Frau sieht, Du! Das freut mich auch, denn das tut er doch, indem ich mir diese Anerkennung errungen habe.

Ach Herzelein, wie wenig Verständnis findet man aber heutzutage in dieser Angelegenheit, wenn man seine persönliche Freiheit wahren will. Wie wenig geht 'man' auf Eigenart und Wesen eines Menschen ein. Alle werden nach Nummern behandelt. Und ich werde immer ein beklemmendes Gefühl nicht los, wenn ich an eine Verschlechterung noch denke unsrer Lage und 'man' noch auf die letzten Arbeitskräfte pocht.

Aber ich will nicht undankbar sein. Will für das danken, was ist. [unklar *] Das was kommt, es liegt ebenso bei Gott. Das mag uns trösten, wenn wir einmal dunkel sehen.

Ach mein Geliebter! Du!!!

Könnte ich doch gleich einmal bei Dir sein! Ich wollte Dir doch so manches noch sagen, was man schwer im Briefe ausdrücken kann, ach Dir von allem sagen, was mich anrührt und bewegt.

Bald bald wirst Du neben mir sitzen — dann können wir uns bis [unklar *] auf den Grund des Herzens ausschütten, Du!! Lauter Liebes wird's sein, [unklar *] was nur uns beide angeht! Ach, Du!!!

Oh Geliebter! Weil Du es nur [unklar *] weißt, daß ich ganz zu Dir stehe, Dir am treuesten zur Seite! Ich folge Dir in höchster Liebe und letztem Vertrauen! Du!!! Ich gehöre zu Dir! Und will mich stets nur zu Dir bekennen! Ach, mein [Roland]! Segne der Herrgott unser inniges Einssein. Erhalte er mir Dich froh und gesund und lasse Dich bald, bald heimkehren! Du bist doch mein Ein und Alles! Mein ganzes [unklar *] Glück und mein Sonnenschein! Oh Herzelein! Ich liebe Dich! In treuer Liebe küsse ich Dich, ganz Deine glückliche [Hilde].

[* Zur Unklarheit: siehe Abbildung.]

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Kommentare

drew.bergerson

Di., 02.05.2023 - 18:17

"Köppchen Köppchen" heißt so etwas wie "schlau daher reden." "Gefährliche Umgebung" bezieht sich wahrscheinlich auf Rolands enge Zusammenarbeit mit Fräulein Sch.

Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1_.430213-002-01a.jpg Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946