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[LBR-411107-005-01]
Briefkorpus

N. 31.

S. 1.

Im Osten, den 7. November 1941.

Meine liebe [Ella]!

In den letzten Tagen erhielt ich 3 Briefe von Dir. Es waren die Nummern 25. 26 und 27. Hab meinen herzlichen Dank dafür! Ich weiß zwar nicht ob die Kerze solange  mitmacht; na wollen es mal drauf ankommen lassen. –

Sag doch den Leutchen da beim Arbeitsamt mal ordentlich Bescheid, kann garnicht [sic] begreifen daß die so stur sein können, wo jetzt Dein Bruder auch noch eingezogen ist. Ich weiß nicht, da werd ich einfach nicht schlau drauß [sic]! Weiter schreibst Du, daß es sich auch bei Fliegeralarm ganz gut im Keller schlafen läßt. Ja, das will ich Dir gerne glauben. Früher, als es noch Sommer war, hab ich nur unter freien [sic] Himmel geschlafen, trotz der vielen Mücken. Ganz billig gesagt: Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier, er gewöhnt sich an alles.

Ja [Ella], mit dem verbrennen [sic] von Briefen haste Recht, wenn Du sagst: später! und was geschrieben ist, ist nun mal geschrieben.

Auch darin hast Du Recht, wenn Du meinst, daß ich mit meinen Gedanken schon sehr oft bei Weihnachten bin. Dies ist nun der [sic] vierte Weihnachten wo ich nicht zu Hause bin. Und wenn ichs genau nehmen will, ist es es [sic] schon der 6te. Macht aber alles nichts wenn wir ich nächstes Jahr zu Weihnachten zu Hause bin und es ist dann wieder Friede auf Erden.

Daß zwischen Weihnachtsmann und Storch ein himmel-

S. 2

weiter Unterschied besteht, glaub ich auch. Hab‘ feste gelacht nachher. Weiß garnicht [sic] wie ich überhaupt drauf [sic] gekommen [sic] bin. Muß jetzt noch drüber lachen. –

Mit de [sic] Flieger ist es ja so ‘ne Sache für sich! Die Brüder kommen einfach, wann es ihnen paßt. Du weißt du was? Bei uns kommen so alle halbe Stunde welche. Aber Deutsche! Blos [sic] ab und zu kommt mal‘ nen Rußki [sic]. Meistens kriegen sie den dann aber auch beim Schlawitchen [sic]. Wir sagen dann immer: Der geht heim ins Reich – – !

Und nun gib bitte mal ganz genau Obacht was ich Dir jetzt schreibe. Es ist absolut nichts Neues. Ich habe Dir in dem Sinne schon öfter geschrieben. In Deinen [sic] lieben Brief N 27. vom 28.10.41. hast Du mir was erzählt, was mich riesig gefreut hat. Nimm Du nun es bitte mir nicht von Übel, wenn ich Dir nun frei und offen auf Deinen Brief antworte. Du schreibst, Du wüßtest nicht wie ich über „Euch Mädchen“ denke. Und ob ich anähme [sic], ob ich alle Mädchen für mich haben könnte, die mir nun mal so übern Weg laufen.

Glaub nun ja nicht, das [sic] ich Dir Honig auf den Bart schmieren will, oder Dich etwa beleidigen will! Ich war einmal restlos verliebt und hab meine Liebe schwer schwer [sic] bezahlenm müssen, indem ich hab verzichten müssen, bevor ich auch nur einmal habe nippen können an dem großen Kelch der Liebe. Ich hab da jahrelang drunter gelitten. Für mich ist das Mädel tot. Doch heute bin ich endlich drüber hinweg. Und das ist es auch was mich so glücklich macht. Du sagst ja: Du warst noch nie verliebt.

S. 3

Wenn das so ist meine liebe [Ella], wird die Liebe eben noch zu Dir kommen; davon bin ich hundertprozentig überzeugt und daß kannst auch Du ruhig sein, liebe [Ella]. Und was das für mich bedeuten kann liebe [Ella] ist mir vollkommen klar. Glaub mir es nur liebe [Ella], wenn einmal der Zeitpunkt gekommen ist, wo du Dich verliebst, und ich hab dann Pech gehabt, dann hab ich eben Pech gehabt. Ich werde Dir dann auch nicht böse sein. Wie könnte ich auch? Und nun schau mal glaubst Du nun immer noch ich könnte oder verstünde Dich nicht? Ich versteh Dich nur zu gut. Was soll ich Dir nun noch auf Deine Frage antworten? Wie ich über „Dich“ denke und was ich von Dir halte weißt Du doch, [Ella]. Ein Straßenmädel ist nichts für mich. Wenn ich Dich als solches gehalten hätte, wären wir garkeine [sic] Freunde erst geworden. Ganz klein Bischen [sic] Menschenkenntnis trau ich mir ja auch zu. Weil Du mein ganzes W Vertrauen besitzt, will ich es Dir auch ruhig sagen: Darauf kannst Dich verlassen, auf die Probe hätt ich Dich gestellt, nicht einmal sondern mehrere mal [sic]. Doch da war die Zeit ja zu kurz dazu. Und jetzt im Laufe der Zeit hast Du Dir ja auch so mein Vertrauen und sogar noch etliches mehr erworben. Welches Welchen Wert dies für Dich hat, weis [sic] ich nicht.

Zu Deinem Erlebnis kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Mir liegt sowas absolut nicht. Ich kann nur über Menschen die ich nicht kenne, kein Urteil drüber erlauben und will es auch nicht! Jeder muß eben nach seiner Fasson glücklich werden. – l

S. 4.

Jedenfalls wenn ich ein Mädel wär, an Deiner Stelle tät ich es nicht um eine Haaresbreite anders als Du machen.

Jetzt muß ich s Schluß machen. Mein Licht ist gleich aus. Hoffendlich [sic] bist Du inzwischen wieder ganz gesund und munter.

Es grüßt Dich auf das herzlichste

Dein

[Albert]

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Autor Albert Müller
Korrespondenz Lohbrügge
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Über den Autor

Albert Müller

Albert Müller wurde 1919 geboren. Seine Familie kam aus Escheburg in Schleswig-Holstein. Auch in anderen schleswig-holsteinischen Orten hatte er Verwandtschaft. In seinen Briefen machte Albert Müller oft Andeutungen, dass es Geheimnisse bezüglich seiner Eltern gebe, die er erst später preisgeben

Über die Korrespondenz

Lohbrügge

Fotografie einer handgeschriebenen Liste mit Zahlen, aus dem Konvolut Lohbrügge, die Briefdaten sortiert.

Der Briefwechsel von Ella und Albert Müller befindet sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Erhalten sind fast 900 Briefe und Postkarten. Gesammelt wurden sie von Ella Müller, die Briefe von ihrem Ehemann, aber auch von Familienangehörigen aufbewahrte, zum Teil