Bitte warten...

[OBF-410611-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 11. Juni 1941.

Mein geliebter, guter [Roland]! Du!!! Mein Herzlieb!

Du!! Ich habe heute nacht von Dir geträumt – oh Du!!! So ganz lieb! Sooo lieb hattest Du mich! Geliebter!! Ach, wie sehr muß ich mich sehnen nach Dir, Herzlieb!!! Du!! So ganz sehr muß ich mich sehnen! Du!!!

Herzlieb!! Wenn Du zu mir kommst, Du!!! Dann muß ich Dich zuerst einmal ganz sehr liebhaben!! Du mich auch?

Oh Herzlieb! Wenn ich Dich heute leibhaftig vor mir sähe – ich könnte meine große Sehnsucht nicht unterdrücken! Nein!!! Du!! Ich müßte ganz Dein sein – ganz lieb Dein sein!!! Ach Du!!! Wann wirst Du kommen dürfen? Zu mir? Geliebter! Als ich gestern hörte durch den Rundfunk, daß der Urlaub freigegeben sei! Du!!! Da mußte ich ganz sehr an Dich denken!! So froh war ich über diese Nachricht! Ach – Du kannst Dir's vielleicht garnicht vorstellen! Nun wird wenigstens der Urlaubsreigen eröffnet! Und ganz zuletzt kommst Du gewiß nicht an die Reihe – Du bist ja mein Mann! Bist ja verheiratet! – mein ich!! Ach Du!! Du!! Ich kann die Zeit manchmal kaum noch erwarten, Herzlieb! Geliebter!! Wie ein ganz verliebter Backfisch komme ich mir vor, Du!!! So voll Unruhe und Erwartung und Sehnsucht bin ich!! Herzlieb! Mein Herzlieb!! Gebe Gott, daß alles gut wird! Mein Lieb! Heute bekamen auch die Eltern Deinen lieben Brief! Und sie haben sich ganz sehr gefreut darüber! Mutsch will Dir bald wieder schreiben. Du!! Viele liebe Grüße von den Eltern und alle guten Wünsche für Dich und Deine baldige Heimkehr!!

Du sprichst in dem Briefe von einer ganz großen Überraschung! Du hast ein Paket unterwegs für uns? Durch einen Kameraden? Du!! Nun sind wir aber alle gespannt wie die Regenschirme – und neugierig! Du? Mutters Geburtstagsgeschenk: eine Kappe und Handschuhe! Eine Kappe? Was für eine mag das wohl sein? Du bist ein böses Mannerli – hast garnicht verraten, ob für mich auch was drin ist!!

Ob Du wohl die Seife geschickt hast? Du!! Da würde ich mich ganz sehr freuen! Bis auf den heutigen Tag ist noch nichts bei uns eingetroffen. Hoffentlich leitet es der betreffende Kamerad auch weiter an uns!

Du! Dickerle! Sieh nur mal nach, ob Du Wolle erwischen kannst! Wolle für mich und Dich! Soll ich Dir wieder mal Geld schicken?

Heute kam auch die Rechnung von H.s an für unsern Liegestuhl, er kostet 18.- RM und die Spesen noch dazu, rund 20.- RM. Das geht an. Wenn Du bei mir bist wirst ihn schon auch mal drücken, ja? Oder weichst Du nicht von meiner Seite? Du!!! Ach, er ist so groß und breit! Wenn wir uns recht [an]einanderschmiegen, da passen wir zusammen rein!! Ich soll Dich vielmals und recht herzlich grüßen von ihnen, und sie würden es immer noch gut mit uns meinen! Sie freuten sich, wenn wir wieder mal hinkämen und zusammen plaudern könnten. Herzlieb! Wenn Du kommst, wenn's irgend möglich ist, wollen wir nur mal auf der Fahrt heim nach Kamenz einen Abstecher nach Lichtenhain mit machen, ja?

Auch von D.s soll ich Dich herzlich grüßen! Deine kleine Freundin!! Hört! Hört! Vom Nachbar H. nebenan, die [sic] behauptete, sie hätte Herrn [Nordhoff] im Stadtpark getroffen – er habe sogar mit ihr gesprochen! Und die Kordula spricht mich ganz aufgeregt an: „Ihr Mann wäre da? Warum kommen Sie denn nicht einmal zu uns? Das ist nicht hübsch von ihnen [sic]!“ Und ich klärte den Irrtum auf. Sie hatten auch 2 mal Einquartierung vergangen [sic] und waren ganz begeistert von den netten jungen Männern!!

Weiß nicht, ob Du D.s Nachbarn Fam. Sch. kennst, [sie] wohnen im Doppelhaus, sie ist eine schmale, schwarze Person. Kurzum ihr Sohn (so alt wie ich) ist als Fallschirmjäger auf [K]reta mit eingesetzt worden, sie haben schon 6 Wochen keine Nachricht von ihm. Auch diese Frau hatte gehört, daß Du da seist auf Urlaub und sie fragte mich. Nun mach's aber wahr! Herzlieb! Das Gerede und Geschwätz!

Mein Herzlieb! Es ist ½ 4 Uhr am Nachmittag, draußen regnet es – ich habe heute die Betten abgezogen und die Schlafzimmer gesäubert, wollte gerne die Betten an die Luft raus bringen, nun müssen sie im Treppenflur lüften. Wenn ich wieder frisch beziehe, Du? In 4 Wochen! Ob wir [d]a Deinem Urlaub viel näher sind? Geliebter!!

Ach glaubst! Das liegt mir immer obenauf: Urlaub! Sag? Freust Du Dich denn auch so närrisch drauf? Du!!! Heute muß ich noch zu verschiedenen Mitgliedern der Kantorei, um Fleischmarken einzusammeln. Wir wollen kommenden Sonntag einen Ausgang machen. Erst war eine Fahrt nach Augustusburg geplant, doch der schlechten Verbindung halber, wurde der Plan fallen gelassen. Nun soll es eine Waldwanderung werden, nach dem Totenstein zu. Und im "Weißen Roß“ zu Pleißa wird ein Beisammensein stattfinden, mit Abendbrot. Bin ja neugierig, ob das Wetter einigermaßen ist, sonst macht es ja keinen Spaß. Ob ich mich freue darauf? Nicht besonders.

Mir wäre tausendmal lieber, Du gingst mit mir! Du!!! Und wenn Du bei mir bist, dann ist ja noch Sommer! Da gehe ich mit meinem Herzlieb viele, alte, vertraute Wege! Dorthin gehen wir, wo wir unser großes Glück noch ganz heimlich verbargen! Ach, es sind viele Wege, die Du und ich schon gingen, in der Zeit unsrer werdenden Liebe. Herzlieb! Gestern abend war ich wieder mit im Frauendienst. In der „Krone“ diesmal. Schön war es. Frau G. saß schon unten, als ich mit Ilse Sch. kam und sie nahm mich gleich an ihre Seite. Wir hätten [u]ns so lang nicht gesehen, meinte sie – es sei keine Zeit geworden [sic] seit Pfingsten, daß sie mich besuchen konnte. Sie sind beide auch geladen für den Ausflug der Kantorei, erst müßte sie mit ihrem Manne nochmal Rücksprache nehmen und ich soll heute vorbeikommen wegen der Marken. Weißt[,] was wir ausgemacht haben? Am kommenden Dienstag wollen wir nach Breitenborn fahren, um Rhabarber zu holen – frisch vom Felde, zum Einwecken. Da besuchen wir natürlich Onkel Erichs [sic] mit!

Ich schreibe eine Karte zuvor.

Ich werde ihnen mal erzählen von meinem Matrosenhubo[,] sie sind gewiß neugierig, was Du machst!

Heidi war übrigens vorige Woche auf einer Rundreise und wollte Deine Eltern mit aufsuchen, ich fragte schon bei Mutter an, ob sie das getan hat.

Herzlieb Du!! Denke nur: die Mutsch bekommt 14 Tage Ferien! Alle bekommen so viel, weil sie keine Arbeit haben im Moment, es fehlt an Stoff. Die Färberei kommt nicht nach. Und nun beginnen ihre Ferien schon am Sonnabend, den 21. Juni — zum 6. Juli. Vater will uns beide durchaus fortstengeln[.] Er weiß noch nicht, wann er seine Ferien bekommt.

Ich habe nun an Frau S. geschrieben, ob sie uns paar Tage aufnimmt.. [sic] Mal sehen! Da werden wir gleichmal unsere Sachen mit heimnehmen, wenn's klappt. Mutsch würde es bestimmt da gefallen und wo ich schon überall mit Dir rumgestiefelt bin – Du!!!

Ach Du!! Überallhin wo ich auch gehen mag verfolgt mich Die unstillbare Sehnsucht nach Dir! Geliebter!!

Bild, Dein liebes, liebes Bild! Mein Herzlieb Du!!! Ich liebe Dich! Oh — ich liebe Dich!!!

Geliebter! Heute kam Dein lieber Bote vom Sonnabend, den 7. Juni zu mir! Ich habe mich gefreut! Du!! sei recht lieb bedankt, mein Herz!! Sonntagmorgen war, da Du Deinen Boten beendet hast und noch immer keine Post von mir! Armes, liebes, Du!!

Ich könnte richtig böse werden, wenn ich so darüber nachdenke, Du mußt so unverschämt lange warten auf ein Zeichen von mir — und ich bekomme Deine Briefe schon nach 3 Tagen. Woran muß das bloß liegen? Mein Herzlieb! Du hast nun gewiß am längsten gewartet — bist schon lange im Besitz meiner Boten, wenn ich mich heute erst darüber ärgere, Du!!

Aber alle klagen, daß die Sendungen aus der Heimat ins Feld viel länger brauchen.

Du!! Geliebter! Warst am Sonntag so besinnlich gestimmt —erzählst mir so lieb über Deine Gedanken Heimat und Freude. Mein [Roland]!

Ich kann Dich verstehen — so gut verstehen.

Wir wissen beide darum, um Heimat und Freude — um Enge und Weite — und wir erkennen, dass wir beiden verhaftet sind — und wir vergessen nicht, die was viele Menschen vergessen, — die Weite des Himmels einzulassen. "Du hast mir die Heimat aufgetan." Geliebter! So unermeßlich viel umschließen diese Worte mir und auch Dir! Du!! Ich bin so tief beglückt, daß Du bei mir findest, was Du e[rse]hnst mein Lieb, daß Du bei mir auch Heimat und Geborgensein empfinden kannst! Geliebte!!

Ich will Dir die Heimat halten, so lieb, so treu und fest — Du sollst ganz froh und glücklich bei mir einkehren, wenn Gott Dich mir zurückkehren läßt — er allein weiß die Stunde.

Und seiner Weisheit und Güte wollen wir uns dankbaren und demütigen Herzens beugen.

Du!! Mein [Roland]! Ganz stark und zuversichtlich laß' uns sein! Gott, unser Vater wird alles zum Besten wenden. Ich glaube ganz fest daran, Du! Du aber, mein Geliebter! Sei froh und glücklich!

Ich liebe Dich — immerdar! Mein [Roland]! Ich bin Dir verbunden in alle Zeit! In Treue und in Liebe! Du!! Mein [Roland]!

Sei ganz glücklich und froh unsern Bund!

Er lasse Dich recht bald gesund heimkehren!

Ich küsse Dich! Du!!

Du!!!!!

Deine Holde, Dein!

Karte
Kommentare

drew.bergerson

Mo., 06.02.2017 - 17:15

Hilde hat den gesamten Briefwechsel in Ordner aufbewahrt. Als T&S die Ordner bekamen, um sie zu skannen, fanden wir die letzten beiden Briefseiten (ab hier [*] und hier [**]) nicht mit den ersten vier zusammen sondern freiständig, und es gab andere Seiten, die inhaltlich bzw. von Briefpapier her nicht dazu passten. Wir wissen, dass die beiden letzten Briefseiten zu diesem Zeitraum passen, denn Hilde erwähnte einen Brief vom 7. Juni, worauf sie reagiert hatte. Bemerkenswert ist: Hilde wiederholt einen Satz aus diesem Rolandbrief vom 7. Juni, "Du hast mir die Heimat aufgetan.", was im privaten Archiv der Familie an diesen Briefen von Roland bisher völlig fehlt (obwohl es möglich ist, dass wir sie später entdecken, als wir spätere Jahrgänge verarbeiten). Ob Hilde oder Roland die Briefe aus diesem Zeitraum aus irgendwelchen Grund zerstört hat?

Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946