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[OBF-420322-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 22. März 1942. 

Mein Herzensschätzelein! Lieber, liebster [Roland] Du! 

Sonntagmorgen ist, die liebe Sonne scheint – aber stürmisch ist's draußen. Da wird alle Nässe vom Tauwetter gut abtrocknen. Ich bin allein heute, Herzelein! Nur am Vormittag. Die Oma rief gestern an, ob die Eltern könnten mal [ein] paar Stunden helfen kommen. Heute findet doch überall im Reiche die Überweisung der 14 jährigen statt. Das ist sowas wie parteinamtlich aufgezogene Konfirmation, meines Erachtens. Na, meinetwegen. 

Die Eltern sind um 8 [Uhr] heute früh gegangen. Und jetzt ist es gleich 10 Uhr. Seit 7 [Uhr] sind wir alle auf, Du! Und ich hab auch schon ganz lieb Dein gedacht, Du!!! Du!! am zeitigen Morgen, im Bettlein! Oh Herzlieb! Mein!!! Jetzt bin ich fertig mit meiner Hausarbeit, es schaut fein sonntäglich aus in allen Stuben. Ich möchte Dich doch gleich einmal bei mir haben, Du mein herzliebes Mannerli, Du! Die Mutsch hat alles so blitzsauber gemacht – es dünkte mich mir beim Heimkommen so, als wäre alles auf einen großen und recht lieben Besuch gerüstet! Wie einst – Du! Da mein [Roland] uns besuchen kam! Ach – wenn doch die schöne, schöne Zeit erst wieder käme! Noch vieltausendmal schöner wird es doch dann! Denn wenn es schon einmal soweit ist, daß Du mich wieder so oft besuchen kannst wie einst – ich glaube ganz fest daran – daß Du dann auch bald[,] bald für immer heim zu mir kommst, in unser eignes Nestchen, Herzelein! Oh Du!! Du!!! Ach Herzelein! Manchmal ist doch die Sehnsucht nach einem eigenen Heim recht groß, besonders dann, wenn ich so werke und schaffe hier zuhaus, in Mutters Reich. Weißt? Es ist doch mein innigster Wunsch, alles was ich nun während Deiner Abwesenheit tue, für Dich zu tun. Und das könnte ich doch am allerschönsten, indem ich Dir unser Nestchen beschützte, Du! Vor allem Schmutz innen und außen, daß ich es Dir rein erhielte, auch in tieferem Sinne. Es kann noch nicht sein. 

Und Du mußt nicht denken, mein Schätzelein, daß ich nun gar traurig bin! Oh Du!! Du! Ich habe doch einen Ersatz für all mein Sehnen! Mein Herz! Dein Herz ist's nun und Dein Heim, Dein Nestchen, Dein allertrautestes! Und das halte ich Dir doch nun genau so lieb und treu und warm bereit, wie ich es mit unserem sichtbaren Heim täte. Oh Du! Denke nur einmal ganz tief darüber nach, Herzelein! Welches ist die schönere Aufgabe und die schwerere jetzt in dieser bösen Kriegszeit, für eine Frau? Oh Du! Du!! Für eine liebende Frau gibt es auch hier keine Frage! Du!!! 

Sie bewahrt Dir ihr Herz in Sturm und Wetter. Sie schützt es mit all ihrer Kraft vor Bösem! Und es ist doch neben allen Beschäftigungen und Pflichten des Tages die allerschönste, allerköstlichste und die wertvollste Aufgabe und Liebesbezeugung, wenn einem Weibe das als Höchstes gilt, sich dem Geliebten zu erhalten allezeit, ihm zu jeder Stunde ihr Herz offen zu halten, ihn in ihr Wesen, ihr Inneres einzuschließen ganz tief und fest, und innig. Du!! Du!!! Oh Du! Geliebter! So tue ich ja – zu meiner inneren Zufriedenheit und Erfüllung! Und ich weiß, weiß es zutiefst beglückt: [ich] tue es zu Deinem höchsten Glücke! Oh mein Herzensmannerli! Daß ich Dich doch mein Leben lang so ganz beglücken könnte! Mein Geliebter! Mein [Roland]! Was ich mir vom Leben wünsche, das ist: daß ich Dich allezeit ganz glücklich machen kann – und [es] ist noch, daß Du bei mir bleibst, mich immer so lieb an Deinem treuen Herzen birgst! 

Oh mein [Roland]! Mein Geliebter! Wenn Du von mir gingest – ich könnte nicht mehr weiterleben! Du weißt es. Oh Du! Du kannst nicht mehr von mir gehen, nein! Du gabst mir Dein Herz, Deine Seele. Nun bist Du mein, gehörst mir für dieses Leben. Mußt Dich immer wieder zu mir finden, über alle Ferne. Ich habe Dich so ganz, Geliebter! Und ich lasse Dich nie[,] nie und nimmermehr von mir gehen! 

Oh segne der Herrgott unsere große Liebe! Sei er uns gnädig und barmherzig! Lasse er uns bald in einem gesegneten Frieden unser gemeinsames Leben leben. So heiß, so groß ist unsre Sehnucht! Oh mein [Roland]! Bitte mit mir immer wieder darum! Sei auch Du mit mir von Herzen dankbar für die große Gnade uns Liebe, die wir vom Herrgott erfuhren. 

Lob und Dank sein ihm! Von Herzen Lob und Dank! 

Mein Herzelein! Es ist jetzt nach Tische, daß ich Dir weiterschreibe. Ich hätte doch beinahe vergessen, daß ich heute zum Gratulieren gehen mußte um 11 Uhr. Du! Ich hatte beim Schreiben nicht mehr daran gedacht. Erst als der Postbote kam – heute erst gegen ½ 11 [Uhr] fiel mir's wieder ein. Die Hilde K. hat geheiratet. Weißt, sie war mit mir zusammen im Geschäft und verlor vor 2 Jahren im Mai ihren ersten Bräutigam. Sie hat den Kameraden ihres Bräutigams geheiratet, einen Feldwebel der Luftwaffe. Ein ganz netter Mensch. Er verrichtet zur Zeit Heimatdienst. Fliegt neue Maschinen ein. Er ist bei München in Garnison, vielleicht zieht Hilde hin, weil auch ‚unser‘ Betrieb, die Firma Willig Wendler schließen muß in Kürze. Sie will auf keinen Fall in die Rüstung gehen. 

Ach ja – das wird nochmal ein großes Durcheinander geben bei allen Mädchen und Frauen. Auch Mutters Chef muß schließen. Es bleiben in Oberfrohna nur noch 3 große Firmen für Textil offen: Hermann Dittrich, Hermann Grobe und Georgi u. Weißbach. Diese dürfen nur Heereslieferung arbeiten, = Soldatenwäsche. 

Warum diese Maßnahme getroffen wird? Weil es an Garn mangelt, Privatbestellungen fallen jetzt weg. Die Rüstung ginge auch vor. 

Na, es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Herzelein Du! Ich bin nicht aufgeregt. Jedenfalls kommt meine Mutter dazu nicht in Frage, dann gehe ich. 

Liebster! Die Eltern sind noch nicht da. Ich bin teils ganz froh! Bin ich doch so schön mit Dir a[ll]ein. Mein Geliebter! Du! Das ist sooo schön! 

Aber freuen tät ich mich schon, wenn sie nicht gar so spät kämen, denn heute ist es so herrlich frühlingshaft draußen, daß ich am liebsten ein Stück spazieren ginge. Ach, so warm scheint die liebe Sonne! So blau der Himmel! Nur windig ist's. Und ganz fein trocken und die Wege schon. 

Du! Ich ginge doch heute ganz weit in die Welt hinein, Herzlieb! bis hin zu Dir! Du!!! 

Soll ich Dir denn nochmal alles erzählen, wie es in Glauchau war? Du?! Weißt[,] an so einem Tantenbesuch ist soviel Wichtiges garnicht dran! Nur die Kindergesellschaft ist immer wieder neu. Man kann in den Zeitabschnitten gut beobachten, welche Fortschritte sie in Wachstum äußerlich und innerlich machten. Hannelore ist ganz der Typ eines Schulmädels! Kommt sich als Mittelpunkt der Familie vor! Ist ja nun die Klügste der 3 Mädel! Sie macht gutes Geschick dran (echt oberfrohnsch ausgedrückt!)[.] Die zweite, Christa[,] will nun auch in allem mittun. Da gibt es oft hitzige Gefechte, das Schreibpapier ist doch so knapp! Und Bärbel? Die ist noch klein, und tollpatschig, aber süß! Beginnt eben mit dem Laufen. Sie hatte sich so an mich gewöhnt, daß sie jämmerlich weinte, als ich wieder fortging. Tante hat von früh bis spät Arbeit. Es ist nicht leicht, die Verantwortung über 3 heranwachsende Kinder allein zu übernehmen. Der Vater fehlt gar manch liebes Mal. Wenn nur der unselige Krieg erst ein Ende nähme. Onkel Albert ist noch in Hamburg zur Zeit. 

Zu Ostern wollen Tante und die Kinder für eine Woche nach Mittelfrohna kommen. 

Herzelein! Die Eltern sind da! Und nun haben wir gleich erst einmal Deinen lieben, schönen Geburtstagsbrief an Vater vorgelesen. Fein! Lieb hast Du es gemeint! Er hat sich sehr gefreut der Vater! Und ich soll Dir vieltausenmal [sic] Dank sagen, Du! [Du] Bist doch ein guter Sohnemann! 

Gleich wollen wir Dich im Geiste mit an den Kaffeetisch setzen und Dir ein feines Stück Pflaumentorte geben. Ach, wirst Du denken: „ihr habt gut reden! Was nützt mir's denn?“ Leider geht es doch nicht, liebes Herzelein! Müssen alles, alles nachholen, wenn Du wieder daheim bist. Von den Geschenken ist nicht viel zu sehen. Einen feinen Narzissenstrauß schenkte ich Vater[,] und Anzugsstoff die Mutter, vom Q. bekommt er ihn gearbeitet. Er freut sich schon auf Dein Raucherpäckel. Gestern abend feierten wir schon Geburtstag und heute nochmal, Du hast´s erraten! Und Du bist doch mitten unter uns, Herzelein! 

Auch Frau H. schrieb mir heute, sie hat das überwiesene Geld am Freitag erhalten und am Abend vorher ist ihr Mann schon wieder abgefahren, wie schade! Nun muß ich ab und zu mal einen Braunen [Geldschein] hineinzuschmuggeln versuchen, gelt? 

Da ist ja Kamerad H. heute schon wieder bei Euch, wenn's gut gegangen ist! Es wird ihm auch schwer gefallen sein. Frau H. schreibt vom Storch in ihrem Briefe! Und sie freut sich darauf! Ich soll nur mal versuchen Würfelzucker zu streuen, wenn klarer [Zucker] nichts nützt! 

Ach Herzelein! Ich bin froh, daß wir jetzt uns nicht diese Sorge auferlegten. Es wäre nicht leicht. Und wenn Gott will, daß uns Kindlein geschenkt werden, dann wird er sie uns auch zur rechten Zeit bescheren. Darauf vertraue ich, Du! Erst möchten wir doch für immer beisammen sein, mein [Roland], gelt? 

Oh Du! Ich habe Dich doch jetzt so sooo lieb, wo Du mir ferne bist! Und alle Freizeit bringe ich Dir! Alle Gedanken gehen zu Dir! Wo sollte ich all die viele Zeit hernehmen dann, wenn wir jetzt ein Kindlein hätten, um auch so ganz Dir nahe zu bleiben? 

Herzelein! Ich möchte das Mutterglück wie das große Glück Deiner Liebe doch auch in all seiner Vollkommenheit erleben, in all seiner Tiefe! Und so kann es n[ur] sein, wenn Du für immer um mich bist, Geliebter. Ach Du! Ich will und muß Dich ganz allein noch haben! Für mich allein! Ich liebe Dich unendlich! Mein Herzensschätzelein! Du bist all mein Glück! Ach – wenn Du wüßtest, wie ich mich nach Dir sehne! Oh Du! Ich will nicht klagen! Will Dich doch nur ganz lieb erfreuen und glücklich machen mit meinen Zeilen, mein [Roland]! Kann ich das? Fühlst Du meine große Herzensliebe, Du?! Oh Herzelein! Herzelein! Du machst mich so unsäglich glücklich! Deine lieben, lieben Boten! Sie künden mir von Deiner Liebe und von Deinem Glück! Sie sind so voller Sonnenschein und Seligkeit! Ach, wer ist noch so glücklich wie ich? Geliebter! Mein Geliebter! Du!!! Du!!! Ich bin Dir so von Herzen dankbar, Du! Laß mich nun noch ein wenig an die Sonne gehen, mit meinem überglücklichen Herzen! Ich will Dir morgen Antwort geben auf Deine Boten, gelt? Du! Oh Herzenslieb! Du machst mich so glücklich! 

Sooo sehr glücklich! Oh bleibe mein! Halte mich ganz fest! Du! Ich liebe, liebe Dich! 

Gott behüte Dich, mein Goldherzelein! 

In unwandelbarer Liebe und Treue Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946