Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946 an. Die Briefe von Roland Nordhoff sind in Sütterlin bzw. in deutscher Kurrentschrift verfasst, die Briefe von Hilde Nordhoff in moderner Schreibschrift. Zu Anfang ihrer Bekanntschaft schrieben sie sich ein- oder zweimal in der Woche, während des Krieges jedoch tauschten die beiden mitunter mehrmals am Tag Briefe aus.

Eine ausführliche Darstellung zu Überlieferung und (ortho-)graphischen Besonderheiten dieses Briefwechsels sind in dieser PDF nachzulesen. Unsere editorischen Eingriffe im Verlauf der Produktion sind hier dokumentiert.

Dieser Briefwechsel handelt in erster Linie von der Paarbeziehung, aber die Selbstdarstellung der Schreibenden regte sie auch an, sich gegenseitig ihre Tätigkeiten, Meinungen und Interessen zu beschreiben. Wie im Blog zu erkunden ist, kommentierten die Schreibenden eine Vielfalt von Themen: Musik, Kunst, Filme, Literatur, Theater, Glaube, Kirche, Chor, Verwandte, Freunde, Familie, Dorf, Geschlechterverhältnisse, Arbeit, Karriere, Ausflüge, Reisen, nationalsozialistische Politik, Krieg, Eroberung, Vertreibung, und sogar das Briefschreiben selbst. Interessant ist auch, was nur marginal diskutiert wurde — Antisemitismus, Terror, Genozid — und wie diese Themen im Briefalltag erscheinen.

"Briefausschnitt, der ein gemaltes Herz zeigt, wahrscheinlich mit Bleistift, zweifach nachgezeichnet."
Ba-OBF K02.Pf1_.430114-001-01, Auschnitt aus dem Brief.Zeichnung in einem Brief von Roland Nordhoff.

 

Die Schreibenden lebten auf dem Land in Sachsen, waren gläubige evangelische Christen und im Sinne der nationalsozialistischen Gesetzgebung ‘Arier’. Er war dreizehn Jahre älter und wurde vor dem ersten Weltkrieg geboren; sie in der Weimarer Republik. Er war Lehrer, sie Arbeiterin. Gerade einmal sechs Wochen nach der Heirat wurde er zur Grundausbildung zum Militär einberufen. Während er als Soldat in der Kriegsmarine in Schleswig-Holstein, Bulgarien, Griechenland und Rumänien als Schreiber diente, blieb sie in der sächsischen Heimat. Das Paar traf sich zum ersten Mal im Kirchenchor. In den ersten Briefen siezte es sich noch. Man traf sich einige mal im Geheimen, um die junge Beziehung vor fremden Blicken zu schützen.  Zwischen Januar 1939 und Juli 1940 teilten die beiden ihre Beziehung allmählich den Eltern, Freunden und Nachbarn mit. Sie duzten sich nun, entwickelten eine eigene Sprache in der Beziehung und tauschten Koseworte aus. Die Sehnsucht nach körperlichem Kontakt wurde zunehmend zur Herausforderung. Beide zogen zu dieser Zeit um: Hilde Nordhoff (nun noch Laube) mit ihren Eltern in eine größere Wohnung im selben Ort, Oberfrohna, Roland Nordhoff aufgrund einer neuen Stelle an einer Schule nach Lichtenhain in der Sächsischen Schweiz. Die anstehende Hochzeit wurde im Frühling 1940 kundgegeben und fand schließlich am 13. Juli 1940 statt. Kurz zuvor gab Hilde Nordhoff ihre Arbeitsstelle auf.

Oft genannte Familienmitglieder sind die Eltern von Roland Nordhoff, die in Kamenz lebten, sowie seine Geschwister Hellmuth und Siegfried, beide ebenfalls an die Front eingezogen, und Schwägerin Elfriede, die in Bischofswerda lebte. Hilde Nordhoffs Eltern, die Eltern Laube, in den Briefen oft Mutsch und Pappsch genannt, und der Ort Oberfrohna, sowie die nähere Umgebung der (Textil-)Industriestadt Chemnitz und die ländliche Region des Erzgebirgsvorlandes, spielen ebenfalls eine große Rolle in diesem Briefwechsel.

 

"Foto von Hilde und Roland Nordhoff an ihrem Hochzeitstag. Amerikanische Einstellung, Ehefrau in weissem Hochzeitskleid mit einem Strauß Blumen vor dem Oberkörper, Ehemann in schwarzem Smoking."
Ba-OBF K01.Ff3_.A4, Brautpaar Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit, 13. Juli 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt.
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Nun komme ich dazu, Deine lieben Boten vorzulassen. Sei nochmals recht herzlich bedankt dafür.
Nun war es gestern doch 8 Uhr am Abend geworden – und ich so müde.
Eben bin ich fertig mit plätten, muß doch wenigstens die Kissen auf dem Sofa beziehen und paar weiße Decken auflegen, wenn Besuch kommt!
Es ist jetzt bald 5 Uhr nachmittags, gleich will ich mich erst mal zu Dir setzen und ein wenig mit Dir plaudern.
Der Gedanke vom Scheidewege beschäftigt mich noch. Mit mir kennst Du einen, der so deutlich und symbolhaft ist, wie nur einer im Märchen.
Ach Geliebter! Du!! Heute bist Du nun wieder zu mir gekommen! Sooo lieb! Sooo lieb! Ich bin so reich beschenkt worden von Dir!
Ganz neuwaschen ist Dein Mannerli! Vor einer Stunde saß es noch in der Wanne und wartete vergeblich auf den lieben Bademeister.
Sooo viel, viel Freude ist heute eingezogen bei mir mit Deinen lieben Boten vom Donnerstag u. Freitag, Du!
Nun klingt mein Tag aus, ganz anders als sonst — ich bin müde, aber nicht zu müde, um Dir noch zu sagen, wie so lieb ich Dich hab'!
Du!!! Ach, wie bin ich froh, daß ich endlich Deine liebe Hand fassen kann! Wie habe ich auf die Stunde gewartet. Eben ist unser Besuch zur Tür hinaus – eine gute Bekannte, eine Krankenschwester mit ihrer Nichte.
Die Sonne eines prächtigen Herbsttages fällt durch das Türfenster unsrer Schreibstube mit dem schmiedeeisernen Gitter.
Schon wieder komme ich zu Dir! Der Tag ist so schnell herum! Und bei Dir bin ich ja sooo oft! Du! Wir müssen so dankbar darum sein, daß wir es können, so in Ruhe und Frieden, auch Dein Mannerli.
Wieder ist ein Vormittag vergangen und es ist nun die Stunde da, wo ich ganz bei Dir sein kann, Du!!! Am liebsten möchte ich Dich doch jetzt ganz nahe bei mir haben, Du mein Herzlieb!
Es ist Vormittag, ich bin allein. Und ich muß mir jetzt eine Stunde Zeit gönnen, bei Dir zu sein, Du! Du klagtest in zwei Deiner Boten über die Formlosigkeit unsrer Zeit.
Hu kalt ist's heute bei uns. Über Nacht ist es anders geworden. Regen und Sturm haben sich aufgemacht. Ich ging spät zu Bett gestern.
In der Schreibstube sitze ich jetzt. Es ist am Nachmittag kurz nach 4 Uhr. Ein Prachttag ist es draußen. Bis in die Zimmer dringt die Wärme und den Rock, den ich jetzt über die Bluse immer ziehe, mußte ich ablegen.
Ach, ich muß doch gleich erst mal tief aufseufzen und mich auf den Allerwertesten setzen!
So reich bin ich beschenkt worden heute - ich habe mich ja sooo sehr gefreut und es so ganz besonders glücklich gespürt, wie so lieb Du mich hast! 2 liebe, liebe Boten sind zu mir gekommen vom Erntedanksonntag und dessen Vorabend.
Mein Herzelein braucht doch ein Tränklein! Das schick ich ihm hier.
Heute wollte es doch überhaupt nicht Tag werden, der Himmel ist ganz zugehängt mit dicken, grauen Wolken. Und ich habe bis in die 9. Morgenstunde Licht gebrannt.
Zwei Tage ließ Dein Bote auf sich warten – heute ist er nun wieder zu mir gekommen und bringt mir soviel Freude und Liebe in Wort und Bild – ach
Mitten über der Arbeit oft und sonst auch habe ich die Heimatlandschaften vor Augen, und die Herbstlandschaften sind es, die am wärmsten und tiefsten aufleuchten. Am deutlichsten die von Rechenberg-Bienenmühle.
Ich sitze jetzt wieder am Tische, vor meinem lieben Papier, das mir so geduldig stille hält jeden Tag.